Transalp 2002: Chiemsee - Gardasee

Eine achttägige Alpenüberquerung mit dem Mountainbike vom Chiemsee zum Gardasee


Einleitung

Nachdem die Tour von 2001 ein voller Erfolg war und meine Frau Karin ebenfalls allzugerne mitgefahren wäre, stand relativ schnell fest, dass auch im Jahr 2002 eine Transalp stattfinden sollte. Das Reiseteam sollte aus uns beiden bestehen, die Kinder müßten aus Gewichtsgründen leider zu Hause bleiben. Die Route sollte auf jeden Fall wieder durch die Dolomiten führen, da dort noch einige Passagen zurückgeblieben waren, die mich sowohl landschaftlich als auch fahrerisch interessierten. Natürlich sollte die Tour auch wieder vor der Haustüre beginnen, damit keine umständliche Anreise zum Startpunkt notwendig wurde. Der grobe Rahmen war damit vorgegeben.

Abb. 1: Karte der Gesamtroute
Abb. 1: Gesamtroute
Übersichtskarte mit vollständiger Routenführung und Etappeneinteilung.

Da ich unsere Etappen letztes Jahr eher anstrengend fand, hatte ich zunächst Bedenken, meiner Frau das Gleiche zuzumuten. Eine gute Basiskondition war bei ihr zwar vorhanden, aber wie Testfahrten schnell zeigten, auch ein größerer Leistungsunterschied zwischen uns beiden. Nach vielem Herumprobieren beim Planen von Routen mit sechstägiger Dauer habe ich es dann aber aufgegeben, eine abgespeckte Tour zu entwerfen, und mich doch für den Gardasee als Ziel entschieden. Damit folgte zwangsweise eine mindestens achttägige Reise; mehr Tage wären es leicht geworden, aber die eine Woche Urlaub sollte halt auch nicht überschritten werden.

Tabelle 1: Basisdaten der Tour
Dauer 8 Tage (26.07. - 02.08.2002)
Entfernung 588 km
Höhendifferenz ca. 15.000 m

Grundlage der Streckenführung war auf der Alpennordseite im Wesentlichen die Tour vom letzten Jahr. Die erste Etappe habe ich etwas variiert, um sie nicht exakt gleich werden zu lassen; letztendlich entspricht sie damit im alpinen Bereich näherungsweise der Originalroutenführung, wie sie von Achim Zahn in "Mountainbike" 7/96 beschrieben ist. Für die Route südlich des Alpenhauptkammes hatte ich auf Basis von Beschreibungen im Internet relativ rasch eine eigene Vorstellung; im Detail wurde sie dann mit Hilfe des Buches "Transalp" von Ulrich Stanciu geplant.

Bei der Fahrt stellte sich schließlich heraus, dass der Zeitbedarf der fünften Etappe etwas höher war als vorgesehen. Dank der hervorragenden Infrastruktur der Südtiroler Alpen war das aber in keiner Weise problematisch. Den Zeit- und Streckenverlust konnten wir dann am Folgetag sogar wieder wettmachen, so dass sich die Etappenplanung in Summe als brauchbar erwies.

Nicht ganz einfach war die Woche vor dem Antritt der Tour, da die mittelfristige Wetterprognose zunächst dauerhaft schlechtes Wetter meldete. Ich war kurz davor, die Tour abzublasen, als die Wettervorschau dann doch noch über das erste Wochenende drei Tage beständiges Wetter zusagte. Danach sollte es vor allem im südlichen Alpenbereich wieder labiler werden. Für unsere Zeitplanung war das nicht optimal, denn den Alpenhauptkamm wollte ich unbedingt, ohne in ein Gewitter zu geraten, überwinden. Wir entschlossen uns daher, die Tour nicht am Samstag, sondern bereits am Freitag Nachmittag zu beginnen. Gleichzeitig bekamen wir nach hinten dadurch ein kleines Zeitpolster, für den Fall, dass zu schlechtes Wetter oder ein Konditionseinbruch uns unterwegs aufhalten würde.

Etappe 1: Hirten - Reit im Winkl

Tabelle 2: Daten der ersten Etappe
RouteHirten - Chiemsee - Marquartstein - Jochberg Alm - Röthelmoos Alm - Weitsee - Reit im Winkl
DatumFreitag 26.07.2002
Entfernung90,2 km
Netto Fahrzeit5:28 h
Brutto Fahrzeit6:25 h
Bergaufca. 1100 m
KarteBLM Chiemsee und Umgebung

Eigentlich wollte ich nur den halben Tag arbeiten, um dann mittags möglichst früh noch aufzubrechen. Leider zieht sich die letzte Vormittagssitzung noch länger hin, so dass es 14:40 Uhr wird, bis wir nach dem obligatorischen Startfoto und der Verabschiedung von den Kindern endlich auf den Rädern sitzen. Für die angepeilten gut sechs Fahrstunden wird es damit schon ziemlich knapp. Geschlossene Schichtbewölkung mit darunter liegenden einzelnen Cumuli und immer wieder einzelne Regentropfen bilden auf den ersten Kilometern die himmlische Kulisse, unter der wir uns in der 17 °C "warmen" Luft fortbewegen. Glücklicherweise fallen die Regentropfen so selten, dass sie wieder abtrocknen, bevor der nächste auf die gleiche Stelle fällt. Damit bewahrheitet sich mal wieder die alte Meteorologenweisheit "Aus Schichtbewölkung regnet es meist". Durch den schwachen Nordwestwind hat sich eine Nordstaulage gebildet, die zumindest befürchten läßt, dass wir während der heutigen Bergetappe ein paar Regentropfen mehr abbekommen werden, als hier im Flachland zur Zeit fallen. Kein Wetter also, das mich unter normalen Umständen direkt zum Mountainbiken animieren würde. Heute mußte es halt sein, um am Montag bei schönem Wetter noch über den Hauptkamm zu kommen.

Abb. 2: Alzbrücke
Abb. 2: Alzbrücke
Bei Brunnthal queren wir die Alz an der schmalen Holzbrücke.

In Abwandlung der Fahrstrecke des letzten Jahres muß unter Berücksichtigung der schon fortgeschrittenen Zeit wenigstens der Abschnitt zum Chiemsee etwas kürzer werden. Die Route führt daher über Rehdorf und Wald nicht weiter die ersten Höhenmeter sammelnd über Brunnthal, sondern über die Bretterbrücke hinter dem Alzwehr nach Wiesmühl. Von dort geht es weiter über meine übliche Trainingsstrecke nach Tacherting, Schalchen und Trostberg. Die dortige Zeitmarke an der Gitterrohr-Fußgängerbrücke zeigt 1:04 h an, normalerweise brauche ich um die 54 Minuten bis hierher. Dieses Mal hatte es allerdings auch schon Zeitverluste durch eine eingeschobene Bekleidungsoptimierung und die ersten Fotos gegeben. Weiter geht es nach Altenmarkt und dann über die kürzere Route am östlichen Ufer der Alz entlang nach Truchtlaching und weiter bis nach Seebruck.

Am Seeufer machen wir unter dem immer noch in feinen Graunuancen kolorierten Himmel eine kurze Pause inklusive ein paar dokumentarischer Fotos und folgen dann dem Chiemseerundweg Richtung Chieming. Hinter Chieming bleiben wir nicht wie letztes Jahr auf dem Radweg in Richtung Grabenstätt, sondern biegen rechts zur Hirschauer Bucht ab. Das Bergpanorama wird nun endlich markanter; die Gipfel von Hochfelln und Hochgern tauchen noch nicht in die graue Wolkensuppe ein, was sich später aber ändern soll. Es sieht auch nicht so aus, als ob es in den Bergen regnen würde. Das nehmen wir angenehm überrascht zur Kenntnis. Wenig später kommt die A8 in Sicht- und Hörweite. In Fahrtrichtung Salzburg ist der Verkehr wieder einmal recht zähfließend; solche Probleme kennen wir mit unserem Gefährt natürlich nicht. Wir folgen dem Rundweg noch kurz parallel zur Autobahn, überqueren die Tiroler Achen und unterqueren dann die neue Autobahnbrücke. Die dort beidseitig der Tiroler Achen vorhandenen Tore sind nicht abgeschlossen (Danke an Tom für den Tip), obwohl sie bei oberflächlicher Betrachtung so aussehen. Wir folgen dem Pfad, der auf dem Damm neben dem Flußlauf nach Süden verläuft. Im weiteren Wegverlauf passieren wir eine Bahnlinie, eine Landstraße und treffen an einer Brücke auf die Beschilderung des Achental-Radweges. Wir wechseln die Flußseite und folgen der Radwegbeschilderung bis nach Marquartstein, dessen Burg schon von weitem sichtbar ist.

Abb. 3: Hirschauer Bucht
Abb. 3: Hirschauer Bucht
Wir nähern uns nun langsam dem Hochgern, während gleichzeitig das Rauschen der Autobahn zunimmt.

Auf diesem Streckenabschnitt hat Karin arg mit dem Gegenwind zu kämpfen, so dass ich sie zunächst abhänge, dann aber auf sie warte. Schließlich probieren wir es mit Windschattenfahren, um der bedenklich fortschreitenden Zeit etwas mehr Tempo entgegenzusetzen. Die ersten 62 km unserer Reise sind an einer Brücke absolviert, an der der Dammweg zu Ende ist und wir schräg links in den Ort abbiegen. Wir folgen der Straße weiter geradeaus und kommen nach Querung der Durchgangsstraße an den Beginn der heutigen Bergetappe. Vor uns steigt eine schmale Asphaltstraße an, die mit diversen Hinweisschildern Richtung Hochgern, Parkplatz etc. ausgestattet ist. Die Uhr zeigt mittlerweile kurz vor sechs an; ich überlege kurz, ob wir nicht doch lieber auf direktem Weg nach Reit im Winkl fahren sollen, da wir mindestens noch 1,5 h für die folgenden 750 Höhenmeter brauchen werden und es wegen der starken Bewölkung schon etwas dämmrig wirkt. Auch werden wir inklusive der Zeit für die Abfahrt frühestens halb neun in Reit eintreffen, um uns dann noch um ein Quartier kümmern zu müssen. Dann gäbe es heute allerdings keine richtige Bergetappe, und da es bei schönem Wetter auch kein Problem wäre, um diese Uhrzeit hier noch hinaufzufahren, verdränge ich den Gedanken mit der Abkürzung und hoffe, dass das Restlicht in Reit noch für die Quartiersuche ausreicht.

Bis zum Parkplatz geht es recht steil auf Asphalt weiter, dann zunächst flach über Schotter nach rechts, später links hoch, der Forstautobahn stets bergauf durch die Serpentinen folgend. Dabei stellt sich schnell heraus, dass ich mit Karins Geschwindigkeit nicht so gut zurechtkomme. Ich fahre daher mehrfach 10 bis 15 Minuten voraus und warte dann auf sie. Auf diesem Abschnitt kommen uns immerhin drei einzelne Mountainbiker(innen) entgegen, die vermutlich ihre Feierabendrunde bald beendet haben werden. Nach rund der halben Aufstiegsstrecke zweigen wir rechts in Richtung Jochberg Alm ab und folgen der nur noch gering ansteigenden Schotterstraße. Zwischendurch pausieren wir kurz an einem Bachlauf, da Karin über Rückenschmerzen klagt. Bei der Auffahrt ist es im Gegensatz zum Tal windstill, allerdings sinkt die Wolkenuntergrenze nun immer weiter ab, so dass die umliegenden Berggipfel nun nicht mehr sichtbar sind.

Kurz bevor wir das Joch erreichen, wird die Forststraße zum Pfad, der sich in bester Gardaseemanier am Hang entlangschlängelt, ohne wesentlich an Fahrbarkeit einzubüßen. Leider geht nun deutlich spürbar nicht nur der Tag, sondern mit ihm auch das Licht zur Neige. In einer Passage mit dichtem Baumbestand ist es schon bedenklich finster. Um rund 20:00 Uhr erreichen wir nach einer kurzen Passage durch die Almwiesen endlich den mit 1260 m höchsten Punkt des Tages. Der Blick zurück in das Tal nach Unterwössen erinnert mich an Flüge mit dem Gleitschirm bei Wolkenthermik. Wenn man dabei an die Wolkenuntergrenze kommt, verschwindet der Horizont rundherum hinter dem Grau der Wolke und man hat einen eigentümlichen Kontrast, dadurch, dass der Boden durch den Sonnenschein sehr hell wirkt, nach oben hin aber alles dunkel grau ist. Wir fahren noch kurz zur Almhütte hoch, weil der weitere Weg aus der Beschilderung nicht ersichtlich ist. Ich bin vor einigen Jahren das letzte Mal hier hochgefahren und kann mich nur noch an einen interessant zu fahrenden Trialpfad erinnern, der hier irgendwo über die Wiese hinabführen muß. Da die Alm bewohnt ist, frage ich dort nach, so dass wir bald wieder zum Joch hinabfahren können und nach links dem zunächst noch unscheinbaren Wiesenpfad hinab folgen.

Der Weg führt den Hang nach links querend mit geringem Gefälle hinab, allerdings ist es sehr feucht, und wir müssen an den steinigen Stellen wegen der Rutschigkeit etwas aufpassen. Unmittelbar bevor wir die Forststraße erreichen, kann ich beobachten, dass die auf der anderen Talseite vor uns liegende Hörndlwand langsam hinter einem hellgrauen Regenschleier verschwindet. Wir halten daher rasch an und ziehen uns sowie dem Gepäck in aller Eile die Regensachen über. Gerade noch rechtzeitig, denn kaum sind wir fertig, fängt es auch schon an zu tröpfeln, zunächst noch zögerlich, dann setzt ein kräftiger Nieselregen ein. Wir setzen unsere Fahrt nach rechts auf der bergab führenden Forststraße fort und biegen am nächsten Wegedreieck wieder rechts ab auf den Weg, der uns in rascher Talfahrt durch den Regen bis zur Röthelmoosalm bringt. Hier geht es rechts auf altbekannter Route zum Wappbachtal. Der Regen ist nun nicht mehr so stark, auch ist der Boden noch nicht so feucht, dass es von unten hochspritzen würde. In den waldigeren Passagen ist es nun aber schon so dunkel, dass ich die Geschwindigkeit deutlich reduzieren muß, um kleinere Hindernisse noch rechtzeitig zu erkennen.

Unten an der Asphaltstraße halten wir uns rechts und folgen dem Pfad parallel der Straße bis nach Seegatterl. Dort wechseln wir die Straßenseite und fahren nun auf dem gut ausgebauten Radweg weiter in Richtung Reit im Winkl. Dabei können wir dank des gleichmäßigen Gefälles und der technisch unproblematischen Fahrunterlage knapp einen Schnitt von 30 km/h einhalten. Bald kommen wir aus dem Wald heraus und fahren durch das Wiesengelände über Asphalt weiter, bis der Weg an einer querenden Straße endet. Hier überqueren wir nach rechts die Brücke und fahren links an der Landstraße entlang bis in den Ort hinein. Wir fahren durch den Ort und finden auch schnell die Straße zum Freibad, in dessen Nachbarschaft ich das letzte Jahr in einer netten Pension untergekommen war. Bei der Pension (Haus Wiesengrund) klingeln wir, allerdings ist keiner zu Hause. Also fahren wir weiter am Schwimmbad vorbei, in dem trotz des Regens bei lauter Musik irgendeine Festivität stattfindet.

Direkt gegenüber dem Schwimmbad klingeln wir an der Pension Hager, es ist mittlerweile fünf nach neun Uhr. Die Wirtin ist selbst nicht zu Hause, es öffnet uns aber ein Gast, der sich anbietet, die Wirtin vom Fest gegenüber zu holen. Wir sind recht gespannt, ob die uns überhaupt haben will, so nass, wie wir mittlerweile sind. Gegen unsere Erwartung werden wir aber ausgesprochen freundlich aufgenommen und dürfen gleich unsere Fahrräder in der Gartenlaube hinter dem Haus unterstellen. Bevor wir unser Zimmer betreten, werden wir in den warmen Heizungskeller geleitet, wo rasch ein Gestell aufgebaut wird, auf dem wir unsere regennassen Sachen zum Trocknen aufhängen können. Wir sind heilfroh, so unproblematisch eine Unterkunft bekommen zu haben, und gehen nach dem Duschen und dem Waschen der Fahrradsachen in den Ort, um uns in der noch vom letzten Jahr bekannten Pizzeria von den Strapazen des heutigen Tages zu erholen. Bis wir wieder in der Pension sind, ist es halb zwölf; wir stellen den Wecker für morgen auf 7:15 Uhr, da es das Frühstück ab 8:00 Uhr gibt.

Etappe 2: Reit im Winkl - Steinberg Haus

Tabelle 3: Daten der zweiten Etappe
RouteReit im Winkl - Lackalm - Schnappenalm - Ellmau - Hartkaser - Brixen - Westendorf - Steinberg Haus
DatumSamstag 27.07.2002
Entfernung76,8 km
Netto Fahrzeit6:29 h (Karin 7:17 h)
Brutto Fahrzeit9:53 h
Bergauf2109 m
GPS-Spur gs-transalp-2002-tag2.gpx (Kartenansicht)
KartenBLM Chiemsee und Umgebung, freytag & berndt WK 301, DAV 34/1

Der eingebaute Wecker unseres Mobiltelefons reißt mich aus dem Schlaf. Gerne würde ich mich nochmal herumdrehen, zumal die melodischen Geräusche von der Dachrinne nichts Gutes versprechen. Der Blick nach draußen offenbart, dass dieser Tag genau so anfängt, wie der letzte aufgehört hat; ergiebiger Nieselregen wartet auf uns. Gemäß Wetterbericht sollte heute eigentlich die dreitägige Schönwetterphase beginnen; gut, es ist erst früh am Morgen, es kann ja noch werden. Wir lassen keine Hektik aufkommen und gehen erst mal in "Zivilkleidung" zum Frühstück. Es gibt neben dem Kaffee bzw. schwarzen Tee für Karin Brötchen, verschiedene Wurstsorten, Käse, Marmelade, Obstsaft und einen Joghurt. Das Frühstück erreicht damit locker die Kategorie "Zwei goldene Speichen"; diese Qualitätseinteilung hatte ich mir im letzten Jahr schon überlegt, nachdem wir bei der Transalp hier sehr unterschiedlichen Güteklassen ausgesetzt waren. Wir kommen mit der sehr netten Wirtin noch länger ins Gespräch und erzählen von unserem Vorhaben; leider kann sie nach eigener Auskunft keinen positiven Einfluß auf das augenblickliche Wetter nehmen. Wir bezahlen unsere sehr preiswerte Unterkunft (ÜF für zwei Personen zusammen 45,- EUR) und rüsten uns für die feuchten Bedingungen draußen. Das Gepäck wird innerhalb der Rucksäcke wasserdicht in Plastiktüten verstaut, dann verlassen wir, es ist mittlerweile 9:10 Uhr, in voller Regenmontur und mit den besten Wünschen der Wirtin ausgestattet unsere Unterkunft.

Wir radeln durch den Ort, kaufen an einem Obststand noch ein paar Bananen und machen uns auf nach Kössen. Am heutigen Tag folgen wir fast exakt derselben Strecke wie im letzten Jahr, was für mich den Vorteil hat, dass ich keinmal auf der Landkarte nachschlagen muß. Durch das vollkommen konträre Wetter ist das Erlebnis aber ebenso andersartig, so dass ich die Streckenführung den ganzen Tag über nicht als langweilig erlebe. Auf der hinter der Staatsgrenze leicht bergab führenden Landstraße am Loferbach entlang fahren wir mit gebremstem Tempo, damit wir nicht allzuviel von dem vom Vorderrad abgeschleuderten Wasser ins Gesicht bekommen. Beim Abzweig links zur Unterbergbahn kommen wir auf eine leicht ansteigende Straße, der wir bald Richtung Campingplatz und dann auf brüchigem Teeruntergrund nach Schnappen folgen. Der Regen läßt mittlerweile etwas nach, vom schönen Wetter ist weit und breit aber noch nichts zu sehen. Bald biegen wir an einer schmalen, querenden Straße links ab und fahren weiter auf ansteigendem Schotter dem Bachlauf folgend in das enge Tal hinein. Der nur noch geringfügige Regen nimmt nun mit zunehmender Höhe wieder kontinuierlich an Intensität zu. Langsam strampeln wir uns warm, so dass zu der Feuchtigkeit von außen noch das Schwitzwasser von innen gegen das Trockenheitsbedürfnis anarbeitet. Schließlich kleben Regenhose und Regenjacke großflächig an Armen und Beinen; da es nicht kalt ist, stört das allerdings nicht weiter. In den Trinkpausen fällt mir auf, dass beim Heben des rechten Arms immer kalte Flüssigkeit aus dem Ärmel der Regenjacke innen am Körper herunterläuft; ein eher unangenehmes Gefühl. Ich gewöhne mir schließlich an, vor dem Trinken das "Kondensat" zunächst unten aus dem Ärmel herauslaufen zu lassen.

Abb. 4: Passage zur Schnappenalm
Abb. 4: Passage zur Schnappenalm
Die Schiebepassage bewältigen wir bei nur geringer Sichtweite und in beständigem Nieselregen.

Bald haben wir die Wolkenuntergrenze erreicht und fahren in die Zone mit praktisch gesättigter Luftfeuchtigkeit ein. Auch die Sicht nimmt immer weiter ab und beträgt, als wir die Lackalm erreichen, vielleicht noch 100 m. Wir pausieren kurz und kaufen bei der Sennerin je ein Glas Milch, dann radeln wir in das feuchte und unwegsame Wiesengelände hinein. Die Orientierung fällt anfangs etwas schwer, da die Wegmarkierungen durch die schlechte Sicht und wegen der ständig beschlagenden Brillen nicht einfach zu finden sind. Nach ein paar steileren Passagen, bei denen die Überziehschuhe stark leiden, fädeln wir uns zwischen den Latschen hindurch den schmalen Pfad entlang. Hinter einer kurzen Wiesenpassage treffen wir wieder auf einen fahrbaren Schotterweg, dem wir bergab auf die Schnappenalm zu folgen. Dort angekommen, steigen wir über das Kuhgatter und werden dabei von einer Fußgängergruppe bestaunt, die dort ihre Brotzeit abhält, dabei aber auch nicht trockener aussieht als wir. Wir tauschen noch einen kurzen Scherz über das wunderbare Kaiser-Panorama aus, auf das wir aufgrund der geringen Sichtweite natürlich alle verzichten müssen.

Ohne Pause machen wir uns auf den Weg bergab, dabei sorgt das Schwitzwasser unter der Regenkleidung im Fahrtwind rasch für unangenehm kühle Temperaturen. Nach weniger als 100 Höhenmetern, die uns auch an Forstarbeitern vorbeiführen, die jede Menge rutschige Holzabfälle auf dem Weg verteilt haben, halten wir an und ziehen zumindest noch die Armlinge an. Immer noch leicht fröstelnd und ohne den letztjährigen Panoramablick fahren wir weiter, schließlich am Gasthaus Altmühl vorbei bis zur Paßstraße. Hier ist es schon spürbar wärmer, und die ersten Sonnenstrahlen sorgen für eine trockene Straße, die uns bergab bis fast nach Bärnstetten führt. Dort biegen wir rechts in den ausgeschilderten Radweg Nr. 1 ein und halten an der ersten Weggabelung, um uns bei leichtem Sonnenschein von den nassen Regensachen zu befreien. Wir ziehen trockene Trikots an und hängen die nassen Sachen kurz an Hinweisschildern zum Trocknen auf. Bald sitzen wir wieder auf und fahren der Beschilderung Richtung Rummlerhof, dann Römerhof und schließlich Going folgend unterhalb vom Nieder Kaiser den sehr wechselhaften Radweg entlang. Die Sonne ist leider schnell wieder hinter Wolken verschwunden, es bleibt aber angenehm warm. An einer Bachdurchfahrt nutzen wir die Gelegenheit und reinigen unsere Räder vom gröbsten Dreck.

Als wir in Going eintreffen, steuern wir direkt auf eine Pizzeria zu, die wir spontan für ein Mittagessen nutzen. Auch gibt diese Pause die Gelegenheit, die heutige Übernachtung im Steinberg Haus vorzubuchen. Nach der Stärkung fahren wir weiter den Radweg entlang nach Ellmau, wo gerade ein eintrittspflichtiges Stadtfest die Innenstadt blockiert. Wir umfahren es südlich und biegen schließlich zur Hartkaserbahn ab. Von hier folgen wir der Teerstraße weiter nach Süden, die schließlich gleichmäßig ansteigt und sich rechts am Hang emporarbeitet. Dabei kommen wir erstmalig auf unserer Tour in den Genuß, längere Zeit bei Sonnenschein zu fahren. Mit zunehmender Höhe entwickelt sich das Panorama rundherum, der Wilde Kaiser bleibt aber hartnäckig hinter dichten Wolken verborgen. Nach näherungsweise halber Wegstrecke zum Gipfel kommen wir auf eine Schotterstraße, die vom Regen leicht durchweicht ist und einen federnd nachgiebigen Fahruntergrund abgibt. Nach einigen Serpentinen nähern wir uns wieder der Wolkenuntergrenze und durchfahren diese schließlich, allerdings werden wir nicht in Nebel eingehüllt, sondern es ziehen nur einzelne Schwaden immer wieder an uns vorbei den Hang hinauf.

Abb. 5: Abfahrt nach Brixen
Abb. 5: Abfahrt nach Brixen
Ins Tal nach Brixen fahren wir durch die in gelbliches Sonnenlicht getauchten Wiesenhänge.

Als wir schließlich rechts ab zur Bergstation einbiegen, ist der Gipfelbereich wieder abgeschattet; die Wolken lassen nur noch selten die Sonne durch, dabei ergeben sich aber optisch reizvolle Lichtspiele mit den aufsteigenden Wolken. Nach einer kurzen Fotopause fahren wir wieder hinab bis zur Abzweigung und anschließend rechts hinauf über die Gipfelregion. Dann geht es links ab in Richtung Brixen, an einer Alm vorbei und nochmals ein kurzes Stück hinauf, bis zum Wegedreieck, an dem es links hinunter nach Brixen geht. Von hier aus haben wir einen schönen Blick auf das Tal in Richtung Westendorf, das durch die schon tiefer stehende Sonne in ein gelbliches Licht getaucht ist. Die Gipfel rundherum hüllen sich nach wie vor in Wolken, lediglich über den Tälern ist der Himmel blau. Nach einer weiteren Fotopause rollen wir hinunter, zunächst noch über Schotter, dann bald auf Asphalt der wohligen Wärme des Tales entgegen. An der Querstraße unten halten wir uns rechts, um nach kurzer Fahrt links ab über einen Bahnübergang auf den Radweg nach rechts auf Westendorf zu abzubiegen. Den Ort durchfahren wir zügig und halten uns weiter geradeaus in Richtung Rettenbach, dabei schaffen wir es, über ein paar Kilometer mit Windschattenfahren zügig voranzukommen.

Nach den letzten Kilometern über die schmale Mautstraße, die Karin nun doch noch recht schwer fallen, sind wir endlich um 19:05 Uhr am Steinberg Haus, das im Sonnenschein vor uns liegt. Hier beeilen wir uns, die Räder in dem schon bekannten Schuppen, der dieses Mal sehr aufgeräumt wirkt, unterzustellen, und nach Aushandlung einer Halbpensionsunterbringung auch mit dem Duschen, denn die Küche hat nicht mehr lange geöffnet. Es gibt wie im letzten Jahr vier wohlschmeckende Gänge, die zusammen mit der preiswerten Unterkunft (HP für zwei Personen zusammen 59,- EUR) erste Punkte für die Spitzenkategorie "Drei goldene Speichen" sammeln. Die frisch gewaschene Fahrradgarderobe dürfen wir dann noch auf dem für Skianzüge gedachten Gebläsetrockner aus dünnen Edelstahlrohren im Keller aufziehen. Um 22:00 Uhr gehen wir zu Bett, denn morgen wollen wir etwas früher aufstehen. Das Frühstück gibt es offiziell ab 8:00 Uhr.

Etappe 3: Steinberg Haus - Krimmler Tauern Haus

Tabelle 4: Daten der dritten Etappe
RouteSteinberg Haus - Filzenscharte - Wald im Pinzgau - Krimmler Tauern Haus
DatumSonntag 28.07.2002
Entfernung43,9 km
Netto Fahrzeit4:26 h
Brutto Fahrzeit7:05 h
Bergauf1597 m
GPS-Spur gs-transalp-2002-tag3.gpx (Kartenansicht)
KartenDAV 34/1, DAV 35/3

Erst um 7:25 Uhr stehen wir auf, da der Wecker nicht abgelaufen ist. Karin, die dessen Bedienung übernommen hat, wird wohl nochmal einen Blick in die Anleitung werfen müssen. Im Gegensatz zum letzten Jahr erwartet uns ein tadellos blauer Himmel. Vom Balkon aus sehen wir die Hohe Salve im Morgenlicht liegen. Um kurz nach acht sind wir beim Frühstück; außer uns ist allerdings kein Transalpler auszumachen. Wie auch im letzten Jahr ist das Frühstücksbuffet sehr reichhaltig und hat die "Drei goldenen Speichen" leicht verdient. Verschiedene Sorten Müsli, eine größere Auswahl Obst, Käse, Wurst, Mehrkornbrot und -brötchen warten auf hungrige Radler. Eine genüßliche Zeit später holen wir die Räder aus dem "Stall" und machen noch ein paar dokumentarische Fotos in der wärmenden Sonne vor dem Haus. Die nächsten 1,3 km legen wir auf der leicht ansteigenden Asphaltstraße zurück, dann geht es weiter auf stärker ansteigendem festgefahrenen Schotter. Hin und wieder überholt uns ein PKW; später entdecken wir eine ganze Reihe von Leuten in den Hängen oberhalb der Straße, die eimerweise Heidelbeeren wegtragen.

Abb. 6: Auffahrt zur Filzenscharte
Abb. 6: Auffahrt zur Filzenscharte
Zur Filzenscharte hinauf führt ein neu angelegter Fahrweg, der noch nicht auf allen Karten verzeichnet ist.

Wir genießen die sonnigen Abschnitte der zunächst noch öfter abgeschatteten Route, da die Umgebungstemperatur noch deutlich unter 15 °C liegt. Den ersten Abzweig links zur Filzenscharte, in den sich anscheinend immer noch gelegentlich Alpenüberquerer verirren, lassen wir wie auch im letzten Jahr liegen und fahren weiter geradeaus; später halten wir uns an der Weggabelung links in Richtung Rotwandalm. Während ich hier auf Karin warte, zieht eine größere Gruppe Mountainbiker vorüber, die einen Tagesausflug zur Rotwandalm unternehmen. In der angenehm wärmenden Sonne sammeln wir Höhe über die Serpentinen, die ab und zu auch einen Blick auf den gestern vollkommen unsichtbaren Wilden Kaiser freigeben. Bald ist die obere Foisching Alm erreicht und die Steigung läßt langsam nach. Kurz hinter dem höchsten Punkt geht es links ab auf die mit rund 300 m relativ kurze Schiebestrecke, die uns über die Filzenscharte führt. An der höchsten Stelle setzen wir uns auf eine Bank in die Sonne und halten eine Brotzeit ab. Nach kurzer Zeit geht es weiter über den holprigen Weg, der sich immer wieder mit kleineren Bachläufen die gleiche Route teilen muß. Eine abschließende Kletterpartie über eine Kuhbarriere führt uns wieder auf fahrbaren Untergrund. Bei dieser Gelegenheit fällt Karin auf, dass ihre Handschuhe noch an unserer Pausenbank zum Trocknen aufgespießt sind. Also läuft sie erst mal wieder zurück, bevor noch jemand anders die guten Teile gebrauchen kann.

Abb. 7: Abfahrt von der Filzenscharte
Abb. 7: Abfahrt von der Filzenscharte
Von der Filzenscharte hinunter führt der Weg durch eine idyllische Landschaft.

Die folgende, landschaftlich idyllische Passage, bei der der Weg auch zweimal durch breitere Wasserläufe führt, nutzen wir für mehrere Fotosessions. Die Forststraße führt uns weiter bergab und geht an einer Stelle mit Panoramablick nach Süden in eine Asphaltstraße über. Hier halten wir kurz und beobachten die Gleitschirmflieger, die vor dem Wildkogel ihre Kreise in der Vormittagsthermik drehen. Von hier aus hat man auch einen prächtigen Blick in die Gletscherwelt um den Großvenediger. Wir folgen der Straße in schneller Fahrt bergab, bis auf der rechten Seite ein Pfad mit diversen Beschilderungen u.a. in Richtung Rosenthal auftaucht. Zunächst denke ich noch, es ist dieselbe Abzweigung wie im letzten Jahr, aber der Weg verläuft deutlich steiler und über wurzeligere Abschnitte durch den dichten Wald. An einigen kritischeren Stellen steigen wir ab, aber sonst bietet er ein sehr abwechslungsreich zu fahrendes MTB-Terrain. Wir landen schließlich am Penkenhof, halten uns weiter bergab und landen in einer Sackgasse, aus der geradeaus nur ein schmaler Pfad über einen Wiesenhang in Richtung Rosenthal weiterführt. Wir folgen diesem anschließend durch den Wald bergab, wobei es immer mal wieder eine kurze Passage zum Absteigen gibt. Schließlich erreicht der Pfad eine Straße, die uns schnell mitten in den Ort "Wald" führt.

Wir pausieren kurz im Schatten und melden bei dieser Gelegenheit unsere Übernachtung im Krimmler Tauern Haus telefonisch an. Von hier aus halten wir uns an die kaum übersehbare Beschilderung des Tauernradweges und verlassen den Ort westlich. Zunächst verläuft der Radweg direkt an der Landstraße zum Gerlospaß, dann hinter dem (Schmalspur-) Bahnhof von Krimml zweigt er nach links etwas stärker ansteigend in den Wald ab auf eine ruhigere Streckenführung. Am Wegedreieck kurz vor den Krimmler Wasserfällen queren wir den Flußlauf der Ache und biegen hinter der Brücke links ab auf den ansteigenden Weg. Am Wasserspeicher vorbei kommen wir zu einem Kiosk, an dem wir uns mit einem Eis stärken und die Flüssigkeitsvorräte nachfüllen. Weiter geht es über die Landstraße vorbei an der Mautstation, bis nach den ersten zwei Serpentinen links die Bikeroute in das Krimmler Tauern Tal ausgeschildert ist. Noch in der ersten Haltebucht der Paßstraße kommen wir mit zwei Radreisenden ins Gespräch, die aus Passau kommen und gestern ebenfalls eine Regenfahrt hinter sich gebracht haben. Sie überlegen noch, ob sie zum Übernachten in das Krimmler Tauern Tal hinauffahren sollen. Ich rate ihnen aus landschaftlichen Gründen zu, allerdings schleppen sie deutlich mehr Gepäck mit als wir und sind auf die nächsten 600 Höhenmeter nicht sehr erpicht.

Abb. 8: Krimmler Tauern Haus
Abb. 8: Krimmler Tauern Haus
Das Übernachtungshaus liegt in mitten des topfebenen Talbodens am rauschenden Gebirgsbach.

Dennoch folgen sie uns auf die "Bikeroute", die heute wieder sehr stark von Taxibussen frequentiert wird. Wir hängen die zwei rasch ab und machen an den Wasserfällen kurz Halt für ein Foto; dann geht es weiter bergauf über die sonnengeflutete Straße. Hier komme ich zum ersten Mal während unserer diesjährigen Tour durch die Hitze in der unbewegten Luft ordentlich ins Schwitzen. Bisher waren im Gegensatz zum letzten Jahr die Temperaturen noch nicht danach gewesen. Am windstillen Tunneleingang gibt es ein merkwürdiges Nebelphänomen. Von der feuchten Schotterstraße verdunstet das Wasser durch die Sonneneinstrahlung, und die kalte, schwach aus dem Tunnel herauswehende Luft kondensiert es dann wieder. Ich mache ein paar Fotos von diesem im Gegenlicht sehr reizvollen Schauspiel. Durch den Tunnel kommen wir dieses Mal ohne eine vierrädrige Belästigung. Ab halber Strecke sieht man wirklich überhaupt nichts mehr, außer der hellen Öffnung am anderen Ende. Ohne Licht muß man schon ziemlich konzentriert in dieser bodenlosen Schwärze fahren. Auf der anderen Seite, hinter der Einmündung des Fußgängerweges, beginnt wieder die Hindernisfahrt um die Spaziergänger herum, allerdings ist es nicht so voll wie im letzten Jahr. Sobald der ebene Talboden erreicht ist, geht es zum größten Teil flach weiter bis zum Krimmler Tauern Haus.

In der Hütte beziehen wir neben dem Zimmer vom letzten Jahr unser Quartier im Lager und parken die Räder wieder im komfortablen Schuppen hinter dem Haus. Nach dem Waschen hängen wir die Kleidung auf die Wäscheleine, so dass sie im kräftigen Talwind schnell trocknen kann. Wir setzen uns zur Stärkung an einem Heidelbeerpfannkuchen auf die windabgewandte Seite der Hütte. Auch das Abendessen unserer Halbpension können wir dank der etwas milderen Temperaturen noch draußen einnehmen. Außer uns sind noch drei Transalpler in der Hütte, die wir aber nicht als solche identifizieren. Erst morgen auf der Birnlücke werden wir sie kennenlernen. Abends kommen wir noch mit einem österreichischen Pärchen aus Steyr ins Gespräch, die zeitgleich mit uns eingetroffen sind. Sie haben sich für fünf Tage hier in ein Zimmer eingebucht, um einige Hochtouren zu Fuß zu unternehmen. Bevor die Hüttenruhe um 22:00 Uhr ausgerufen wird, bezahlen wir schon mal (Lager: HP 29,- EUR, ÜF 19,- EUR), damit wir morgen nach dem Frühstück sofort wegkommen.

Etappe 4: Krimmler Tauern Haus - St. Vigil

Tabelle 5: Daten der vierten Etappe
RouteKrimmler Tauern Haus - Birnlücke - Ahrntal - Bruneck - Moos - Enneberg - St. Vigil
DatumMontag 29.07.2002
Entfernung84,2 km
Netto Fahrzeit6:31 h
Brutto Fahrzeit11:01 h
Bergaufca. 1600 m
GPS-Spur gs-transalp-2002-tag4.gpx (Kartenansicht)
KartenDAV 35/3, DAV 36, Tabacco 035, Tabacco 033, Tabacco 031

Bereits früh gibt es Unruhe in unserem Lager, so dass wir gar nicht das Klingeln unseres Wecktelefons abwarten müssen, um rechtzeitig aufzustehen. Das Frühstück gibt es dem Unternehmungsgeist der Hausgäste entsprechend schon ab 7:00 Uhr mit dreierlei Müsli, Milch und Joghurt aus eigener Fertigung sowie Wurst, Käse, Marmelade und - wie im letzten Jahr - aufgeschnittenes Graubrot. Beim Frühstück unterhalten wir uns noch mit dem steyrischen Pärchen, das gestern noch nicht recht wußte, welche Tour heute auf dem Programm steht. Es stellt sich heraus, das wir ihnen später wohl noch begegnen werden. Draußen ist es nicht so kalt wie im letzten Jahr, dafür gibt es ein paar Wolkenreste, die labileres Wetter für heute ankündigen. Wir fahren den Schotterweg das Tal hinauf und passieren bald die rechts abzweigende Rampe ins Windbachtal. Über den leicht welligen Wegverlauf geht es immer noch im Schatten auf die nun schon im Sonnenlicht glitzernde Gletscherwelt der Simony Spitze zu. Diese wird für die folgenden Stunden die gigantische Kulisse für unseren mühsamen Aufstieg zur 2667 m hoch gelegenen Birnlücke bilden.

Abb. 9: Weg zur Birnlücke
Abb. 9: Weg zur Birnlücke
Der Fußweg hinauf zur Birnlücke führt durch eine typische Hochgebirgslandschaft.

Der Weg führt an einer Alm mit eigener Käserei vorbei, bis ein Wegweiser an einer Gruppe von kleineren Hütten nach rechts in Richtung Birnlücke zeigt. Geradeaus führt der Fahrweg noch bis zur Materialseilbahn der Warnsdorfer Hütte, ist für uns aber nicht mehr nutzbar. Den vom Gletscher gespeisten Wildbach in der Mitte des Tales queren wir an einer nagelneuen Holzbrücke und fahren nach links noch so weit es geht über eine Wiese, den Wegmarkierungen folgend. Dann beginnt die fast endlose Kombination aus Schieben und Tragen, denn schon hier gibt es einige unwegsame Felspassagen, die steil ein paar Meter in die Höhe führen. Am Talende markieren drei auffällige Seitenmoränen die früheren Dimensionen der Gletscher. Nun liegen sie zwar sehr dekorativ, aber doch irgendwie nutzlos in der Landschaft herum.

Der Weg arbeitet sich rechts am Hang zunächst immer geradeaus weiter in die Höhe. Dabei müssen wir schon früh ein Firnfeld überqueren, das anscheinend den Rest einer Schneelawine darstellt. Diese hat einiges an Geröll mit heruntergerissen, den weiteren Wegverlauf müssen wir daher erst mal suchen. Auf der anderen Seite setzt sich der schmale Pfad, nun besser zum Schieben geeignet, in einem blumigen Wiesenhang fort. Hier steht eine Vielzahl an Bergblumen, wie blauer Eisenhut, gelber Enzian, Vergissmeinnicht, Glockenblumen etc. dicht an dicht in voller Blütenpracht. Der Pfad windet sich schließlich in kurzen Serpentinen den steilen Hang hinauf. Hier kommen wir, auch ohne die Räder zu tragen, noch gut zurecht. Später ist der Untergrund immer mehr von Felsen durchsetzt und die Steigung muß gelegentlich über Stufen überwunden werden. Von oben kommt uns eine Gruppe italienischer Bergwanderer entgegen, die sich verwundert über unsere Fahrräder äußern. Eine Dame ist regelrecht begeistert und überschüttet uns mit Komplimenten zu dieser Leistung. Wenig später überholt uns das steyrische Pärchen vom Krimmler Tauern Haus und kündigt drei weitere Biker an, die hinter uns die Räder den Berg hochwuchten. Durch die zunehmende Höhe bietet sich sowohl auf den Gletscher als auch auf die langgezogenen Seitenmoränen immer wieder ein anderer Blick und durch den langsam wechselnden Sonnenstand auch ein anderes Licht- und Schattenspiel. Der mühsam erarbeitete Höhengewinn läßt sich an der auf der gegenüberliegenden Talseite sichtbaren Warnsdorfer Hütte gut verfolgen. Sie liegt zunächst noch hoch über uns, später aber weit unter uns.

Abb. 10: Steig zur Birnlücke
Abb. 10: Steig zur Birnlücke
Bald wird der Pfad zum Steig und gibt reichlich Gelegenheit, das Rad zu tragen.

Über das letzte Stück wird der Wegverlauf zwar etwas flacher, die zu übersteigenden Felsen aber gröber. Während der letzten zu überwindenden rund 50 Höhenmeter kündigt sich das nun schon lange ersehnte Ziel durch den am Paß erkennbaren Pfahl mit den Wegbeschilderungen an. Was das Herz des Bikers aber dann auch noch erfreut, ist, dass tatsächlich die letzten rund 20 m bis zur Birnlücke flach und fahrbar sind. Dieses hochalpine Radlerlebnis läßt sich natürlich keiner von uns nehmen. Oben angekommen, weht es bei nur kurzfristigem Sonnenschein unangenehm kühl aus Osten über den Paß; außer uns sind nur noch zwei Wanderer dort, die sich mit ihrem Hund in eine windgeschützte Ecke gekauert haben. Zum Ahrntal hin liegt ein größeres Firnfeld, das aber nicht die Dimensionen hat, wie wir es letztes Jahr vom benachbarten Krimmler Tauern Paß aus sehen konnten. Dem Ahrntal entlang quellen über den Bergflanken auf beiden Seiten kräftige Wolken, die unserem weiteren Wegverlauf eine ausgeprägte räumliche Tiefe geben. Kurz bevor wir wieder aufbrechen, erreichen auch die drei anderen Transalpler mit ihren Rädern die Paßhöhe. Sie wollen heute noch nach Campill, meiner Ansicht nach ein sehr ehrgeiziges Ziel.

Wir machen noch ein paar Fotos und beginnen nach einer kurzen Pause den Abstieg. Der weitere Wegverlauf führt gut markiert zunächst nach links über grobe, flache Steine und folgt dann weiter dem Grat zur Birnlücken Hütte hinab. Zur willkommenen Abwechslung gibt es dabei auch größere Streckenabschnitte, die sich mit etwas technischem Geschick fahren lassen. Tückisch sind dabei allerdings die Längsrillen im Bruchmuster des Felsens, die den Reifen eine andere Fahrtrichtung aufzwingen wollen. Die stark durch Ausflügler belebte Birnlücken Hütte ist schnell erreicht; dort treffen wir auch wieder auf das österreichische Pärchen. Wir wünschen noch einen schönen Urlaub und machen uns ohne längeren Aufenthalt auf den weiteren Weg ins Tal. Dieser führt über Steinplatten, zum Teil mit Geländer und zunächst noch halbwegs flach, dann aber rasch steiler abfallend in kurzen Serpentinen hinab. An Fahren ist dabei nicht zu denken, zumal uns bis zum Talboden an die sechzig Leute entgegenkommen. Diese wundern sich auf eine sehr typisch italienische, anerkennende Weise über die von uns mitgeführten Fahrräder.

Abb. 11: Birnlückenhütte
Abb. 11: Birnlückenhütte
Zur Birnlückenhütte hinab gibt es einen teilweise fahrbaren felsigen Rücken.

Am Talboden führt der Weg endlich durchgehend fahrbar über einen mit flachen Steinen ausgelegten, feuchten Wiesenpfad flach weiter. Nach dem Passieren einer Hütte geht es gegen jede Erwartung dann nochmal über einen steilen Abschnitt gut 100 Höhenmeter weiter runter zum echten Boden des Ahrntales. Nach 12,4 km und 5:15 h, die wir hauptsächlich im Fußmarsch zurückgelegt haben, dürfen wir endlich wieder richtig auf dem Fahrrad sitzen und über einen gut präparierten Schotterweg fahren; das ist ein wirklich tolles Gefühl. Bald kommen wir an der mir schon bekannten Stelle vorbei, wo rechts der Weg vom Krimmler Tauern Paß einmündet. Wir folgen nun exakt der gleichen Route wie im letzten Jahr und füllen in Kasern sogar am gleichen Laufbrunnen unsere Trinkflaschen nach. Von dort geht es auf Asphalt, vom leichten Gefälle der Straße unterstützt, mit guter Geschwindigkeit weiter. Gelegentlich sehen wir rechts und links ältere Damen vor ihrem Haus sitzen, die mit für das Ahrntal typischen Klöppelarbeiten beschäftigt sind. Bald wird die Straße breiter und wir durchfahren auch zwei Tunnel, in denen die Luft bemerkenswert kühl ist. In Stockach biegen wir links ab über die Brücke und fahren parallel des Ahrnbaches auf einer ruhigen, geteerten Nebenstraße weiter. Diese geht bald in einen Radweg aus Schotter über, dem wir inklusive einem Wechsel der Flußseite bis Sand in Taufers folgen.

Am Ortsende von Sand in Taufers biegen wir links ein und fahren weiter auf einer schmalen Nebenstraße, von der aus wir sogar ein paar Gleitschirmflieger oberhalb des Ortes beobachten können. Das Wetter sieht jetzt allerdings langsam immer bedrohlicher aus, da die Wolken immer höher wachsen und sich von unten betrachtet teilweise schon sehr dunkelgrau färben. Die Gleitschirmflieger gehen auch schon zum Landen, und wir können bald vor uns auf der linken Talseite einen Regenschauer beobachten. Als wir kurz nach drei in Gais eintreffen, bekommen auch wir einige Regentropfen ab und nutzen die Gelegenheit, uns bei einer Bäckerei nicht nur unterzustellen, sondern uns auch mit ein paar Stücken frischen Kuchens zu stärken. Gegenüber gibt es einen Supermarkt, in dem wir uns noch mit dem weiteren Tagesbedarf eindecken. Währenddessen entwickelt sich über dem Kronplatz ein kleineres Gewitter, das aber weiter westlich abzieht. Wir können das auf unserem weiteren Weg nach Bruneck gut verfolgen, da wir immer mit Blickrichtung Gewitter weiterfahren. Bevor wir in Bruneck ankommen, hat es sich fast aufgelöst und einen tadellos blauen Himmel über der Stadt hinterlassen. Allerdings soll das nicht lange so bleiben.

In Bruneck suchen wir zunächst nach dem Postamt, um schließlich festzustellen, dass es Nachmittags nur bis 13:35 Uhr geöffnet hat. Meine Filme, die ich zur Gewichtsersparnis eigentlich schon ins Fotolabor schicken wollte, werde ich so leider nicht los. Vom westlichen Stadttor aus fahren wir die Via Borco (Waldheimweg) entlang, die uns am Fuße des Stadthügels entlang weiter nach Moos bringen soll. An einem Wohngebäude biegen wir links ab, passieren das Waldheim und fahren weiter über einen Waldweg (Markierung 9-12), der schließlich durch einen Tunnel unter einer Hauptstraße hindurchführt. Auf der anderen Seite geht es über eine wurzelige Strecke etwas bergauf und schließlich wieder flacher durch den Wald, bis wir in einem kleinen Ort landen. Wie eine Recherche auf unserer Karte ergibt, haben wir damit die geplante Route entlang des Weges Nr. 9-12 allerdings irgendwie verpasst. Wir durchqueren die Siedlung und gelangen auf eine Verbindungsstraße, die links leicht ansteigend grob in Richtung Kronplatz führt. Wir folgen dieser Richtung und kommen an eine rechts abzweigende Schotterstraße.

Abb. 12: Auf dem Weg nach Moos
Abb. 12: Auf dem Weg nach Moos
Zwischen Bruneck und Moos scheucht uns ein Gewitter vor sich her.

Mittlerweile hat sich östlich hinter Bruneck ein zweites Gewitter gebildet, das den Himmel dort schon großflächig dunkel färbt. Dumpfes Donnergrollen ertönt nun immer öfter hinter unserem Rücken. Mir gefällt überhaupt nicht, dass wir uns in Zugrichtung des Gewitters befinden und dieses nun droht, uns einzuholen. Einen in seinem Obstgarten auf einer Bank sitzenden älteren Herrn frage ich schon etwas gehetzt, ob wir hier weiter nach Moos kommen. Er bejaht das und beschreibt auch noch kurz den Wegverlauf; wir beeilen uns, auf der Schotterstraße voranzukommen. Am nächsten Bauernhof biegen wir links ab, dann am nächsten Wegedreieck wieder nach rechts. Das folgende Stück führt uns durch eine nette Agrarlandschaft, die wir wegen der unangenehmen Akustik im Rücken aber nicht recht genießen können. Bald kommt vor uns die Burg von Moos in Blickweite. Wir umfahren diese in einem Bogen links und kommen in Moos auf die querende Straße, die links weiter nach Saalen führt. Wir haben noch einen letzten Blick auf das Gewitter hinter uns, das am Eingang des Ahrntales nun für kräftigen Regen sorgt.

Wir folgen der schmalen, nun im Wald stets leicht bergauf führenden Straße, die über Saalen links in das nach St. Vigil führende Gadertal einbiegt und am Hang entlang an einzelnen Gehöften und kleineren Ortschaften vorbei schließlich bis nach Enneberg führt. Hier gibt es kaum Autoverkehr, lediglich Einheimische scheinen die Straße zu nutzen. Das Gewitter hat sich nun wohl doch mehr in Richtung Ahrntal orientiert, denn vom Donner hören wir bald nichts mehr. Zum Ausgleich dafür hat sich über dem weit vor uns liegenden Fanes-Gebiet ein weiteres Gewitter gebildet, was uns aber wegen der westlichen Zugrichtung nicht weiter stört. Irgendwann erreicht uns aber dennoch ein kleiner Regenschauer, dessen Schwerpunkt das Tal vor uns von links nach rechts quert. Wir stellen uns an einer Scheune kurz unter und setzen, als nur noch wenige Tropfen fallen, den Weg wieder fort. Trotz aller Wetterwidrigkeiten fahren wir meist in der Sonne, die nun schon etwas tiefer im Westen steht. Im Gegenlicht können wir den Zug des Regenschauers weiter verfolgen. Bald hüllt er die Almregion der Bergkette auf der anderen Talseite ein. Kurz vor Enneberg haben wir endlich einen Blick auf das vor uns im Tal liegende St. Vigil. Wir folgen der nun wieder breiteren, regennassen Straße, die noch ein paar Bögen schlagend der Hangkontur folgt, dann geht es endlich wieder bergab.

In St. Vigil angekommen, fahren wir zunächst durch den Ort, um uns etwas zu orientieren. Hinter einer Brücke treffen wir auf die Pension Claudia, in der wir uns nach kurzer vergeblicher Quartiersuche in der unmittelbaren Umgebung einbuchen. Die sehr bemühte Chefin erinnert sich glücklicherweise an ihren Spezialtarif für Fahrradfahrer, so dass die Unterbringung noch halbwegs bezahlbar bleibt (ÜF 30,- EUR, HP 45,- EUR pro Person), sonst wären es noch 10 EUR mehr geworden. Die Fahrräder müssen neben dem Haus im Freien übernachten, bekommen aber später noch Gesellschaft durch ein MTB-Tandem. Wir vereinbaren zunächst nur Übernachtung und Frühstück, da Karin sich heute lieber selbst ihr Essen zusammenstellen möchte. Später irren wir allerdings länger durch den Ort, ohne ein Lokal nach unserem Geschmack zu finden. Glücklicherweise kehren wir noch rechtzeitig heim, um am für uns leicht abgewandelten viergängigen Halbpensionsabendessen teilnehmen zu können. Um unsere frisch gewaschene Fahrradbekleidung brauchen wir uns nicht weiter bemühen, da diese freundlicherweise vom Personal im Trockenraum aufgehängt wird.

Etappe 5: St. Vigil - St. Ulrich

Tabelle 6: Daten der fünften Etappe
RouteSt. Vigil - Großes Joch - St. Martin - Campill - Schlüterhütte - Adolf-Munkel-Weg - Brogles Alm - St. Ulrich
DatumDienstag 30.07.2002
Entfernung50,3 km
Netto Fahrzeit6:01 h (Karin 7:29 h)
Brutto Fahrzeit10:15 h
Bergaufca. 1750 m
GPS-Spur gs-transalp-2002-tag5.gpx (Kartenansicht)
KartenTabacco 031, Tabacco 030, Tabacco 05

Um sieben Uhr klingelt der Wecker; gleichzeitig begrüßt uns die örtliche Kirchturmuhr. Strahlend blauer Himmel erwartet uns. Wir lassen uns die dachbodengetrocknete Wäsche bringen und gehen dann zum Frühstück. Dort treffen wir auf die beiden Tandemfahrer, ein Geschwisterpaar, das gestern über das Pfunderer Joch gekommen ist, dort aber des Öfteren das Rad um die Spitzkehren tragen mußte. Das Frühstück liegt in der Kategorie "Zwei goldene Speichen" und wird damit dem Preisniveau gerade noch gerecht. Nach der Stärkung machen wir uns reisefertig und fahren zunächst noch zum Postamt, um dort die erste Hälfte unseres Kartensatzes und die fünf bereits belichteten Filme aufzugeben. Damit wird mein Marschgepäck um mehr als 200 g leichter, immerhin.

Abb. 13: Am Großen Joch
Abb. 13: Am Großen Joch
Vom Großen Joch aus haben wir einen Weitblick bis über Geislergruppe und Peitlerkofel.

Als wir von der Post zurückkommen, kurbeln gerade vier unverkennbar als Transalpler auszumachende Radfahrer den Weg vor unserer Pension den Berg hinauf. Wir hängen uns gleich in den Windschatten, denn auch unser Weg führt dort zunächst zum Großen Joch hinauf. Es geht noch ein kurzes Stück auf Asphalt durch die Wohnbebauung, dann aber bald auf Schotter durch den Wald. Die vier sind in Innsbruck gestartet und fahren heute eine Passage über das Grödner Joch, also südlich von unserer Tagesetappe. Wir passieren eine Skipiste, hinter der es ein kurzes Stück so steil hinaufgeht, dass alle schieben. Bald ist das Joch erreicht, wo sich unsere Wege wieder trennen; die vier fahren nach links und wir nach rechts. Die Straße verläßt mit leichtem Gefälle den Wald und gibt einen Panoramablick auf die westlich liegenden Gipfel vom Peitlerkofel bis zur Marmolada frei. Zum Bauerndörfchen Grand Ju geht es nun auf einer schmalen Asphaltstraße weiter, die schließlich über Serpentinen hinab ins Tal nach Picolin führt. Hier fahren wir links ab über die Brücke durch den kleinen Ort und weiter bergab zur Landstraße. Dann geht es wieder links ab und nach kurzer Fahrstrecke rechts in Richtung St. Martin.

Vor dem ersten Anstieg entledigen wir uns aller windabweisenden Kleidung und fahren die sonnige Serpentine hinauf in den Ort. Hier herrscht bemerkenswert viel Durchgangsverkehr, was vermutlich an der Verbindung zum Passo Erbe liegt. Hinter dem Ort biegen wir links in Richtung Campill auf eine weniger belebte Asphaltstraße ein, die uns in angenehmer Steigung und mit zunehmend freierem Blick auf die Geislergruppe weiterbringt. Unmittelbar am "Herzlich Willkommen"-Schild, das den Ort Campill schon erahnen läßt, biegen wir rechts auf einen Schotterweg ab, der angenehm schattig parallel zu einem Bach verläuft. Der Weg bringt uns oberhalb der Fahrstraße in die Ortschaft, wo wir an einer querenden Straße rechts ab der Beschilderung Nr. 9 folgen. Diese Straße soll uns zum heute höchsten Punkt, dem Kreuzkofeljoch bringen. Die schmale Asphaltstraße schmiegt sich an einen sonnengefluteten Wiesenhang und gewinnt rasch an Höhe. Die Geislergruppe mit ihrer markanten Felsenkette wächst immer mehr aus dem Horizont heraus; auch der Peitlerkofel gewinnt ständig über uns thronend zunehmend an Profil.

An einem kleinen Parkplatz schon hoch über der Talsohle endet der Asphaltbelag und geht in feinen, blendend hellen Dolomitenschotter über. Die Fahrstraße, die den Landwirten als Zugang zu ihren ausgedehnten Almwiesen dient, windet sich durch den mit Graslandschaften durchzogenen Lärchenwald, der mit zunehmender Höhe immer weitere Blicke zuläßt. Gelegentlich gibt es auf der gesamten Strecke verteilt immer mal wieder einen Laufbrunnen, an dem man die Trinkwasservorräte nachfüllen kann. Wenn es noch wärmer wäre, müßten wir auch öfter davon Gebrauch machen, denn die Strecke liegt meist in der prallen Sonne. Mittlerweile hat sich eine Schönwetterbewölkung gebildet, die uns aber auch keinen Schatten spendet. An der Malga Vaciara, die auf meiner Karte entweder nicht an der richtigen Stelle verzeichnet ist oder erst kürzlich von einem geschäftstüchtigen Bauern eingerichtet wurde, öffnet sich die Landschaft förmlich. Der weitere Weg führt nun endlich etwas flacher über die hoch gelegene Almfläche, auf der überall verstreut Leute mit der Heuernte beschäftigt sind.

Abb. 14: Hochebene unter dem Peitlerkofel
Abb. 14: Hochebene unter dem Peitlerkofel
Unterhalb des Peitlerkofels fahren wir über eine Hochebene, die Weitblicke in die umliegenden Dolomiten erlaubt.

Nach einem weiteren kurzen Anstieg geht es rechts um eine Schulter herum wieder auf flacher Schotterstrecke durch ein weiteres Wiesengelände, auf dem uns auch vermehrt Fußgänger entgegenkommen. Bei den ausgedehnten Wandermöglichkeiten der Region um den Peitlerkofel wundert uns das nicht. Hinter den Almgebäuden steigt der Weg steiler an und ist wegen des lockeren Schotters schließlich nicht mehr befahrbar. Wir kommen also endlich mal wieder zum Schieben, wenn auch nur für ein kurzes Stück. In einer flacheren Passage treffen wir auf eine Gabelung, deren linke Abzweigung, zumindest gemäß der Beschilderung, weiter zur Schlüterhütte führt. Rechts geht es sehr steil mit einzelnen eingearbeiteten Stufen zur Peitlerscharte hinauf. Unser Weg wird bald zur Fahrspur, die wieder zum Schieben steil ansteigt und dann ohne jegliche weitere Markierung in der Almwiese endet.

Der Karte nach soll der Weg 35 links auf einem buckligen Wiesengrat entlang führen. Wir bewegen uns die Räder schiebend grob in diese Richtung, zwischendurch auf kurzen schottrigen Pfadspuren, die aber schnell wieder in unscheinbarem Grün enden. In Wirklichkeit birgt das Gras aber so einiges an Schätzen, denn wir stoßen auf eine größere Anzahl jener farbarmen Bergblumen, die ich trotz ihrer Berühmtheit bisher nur von Abbildungen bzw. aus den Medien kannte. Von daher hat sich dieser fahrerisch eher verkorkste Abschnitt doch noch gelohnt. Da uns das Herumirren auf der buckligen Wiese schließlich zu dumm wird, queren wir die Almwiese rechts den Hang hoch zum Weg Nr. 4, der mit leichtem Gefälle die Peitlerscharte mit der Schlüterhütte verbindet. Der Wegverlauf ist von unten schon gut zu erkennen, und der rege Fußgängerverkehr läßt auf einen fahrbaren Zustand schließen. In der Tat handelt es sich um einen auf über 2300 m liegenden Traumtrail, der zunächst noch eben, später abfallend, aber fast durchgehend fahrbar bis zum Kreuzkofeljoch führt. Bis zur Schlüterhütte sind es von dort nur noch ein paar hundert Meter über einen breiten Weg bergab.

Mittlerweile hat die Bewölkung zugenommen, und die ersten Wolkentürme recken sich in den gar nicht mehr unschuldig blau aussehenden Himmel. Vom Kreuzkofeljoch aus haben wir einen weiten Blick nach Westen und sehen, dass es im westlichen Teil der Geislergruppe, also praktisch über der Brogles Alm, bereits regnet. Die Wolke darüber hat schon eine verdächtig dunkle Färbung angenommen. Glücklicherweise ist die Hauptwindrichtung heute Südwest, also quer zu unserer Fahrtrichtung. Damit stellt sie zunächst noch keine unmittelbare Bedrohung für uns dar, blockiert aber in einigen Kilometern Entfernung unsere Reiseroute. An der sehr belebten Schlüterhütte lassen wir uns kurz nieder und essen eine kleine Portion Polenta mit Schmelzkäse, die es für phantastische 6,50 EUR gibt. Wir sind noch nicht fertig, als die ersten vereinzelten Regentropfen fallen. Wir hüllen unser Gepäck rasch regendicht ein und machen uns auf den Weg zur 200 m tiefer gelegenen Gampenalm. Die schmale Straße führt mit sehr großem Gefälle und teilweise etwas zu lockerem Schotter an einem Steilhang hinunter. Wir müssen sehr konzentriert fahren, damit weder Vorder- noch Hinterrad ins Rutschen kommen. Es ist kaum zu glauben, daß man hier mit einem Geländewagen bis zur Hütte hinauffahren kann. An der Alm wird es wieder etwas flacher; wir fahren, ohne anzuhalten und weiter von Regentropfen belästigt zu werden, dem Weg Nr. 35 folgend bergab.

Noch bevor wir die Abzweigung zum Adolf-Munkel-Weg erreichen, hören wir um Punkt 15:00 Uhr den ersten Donner von dem Gewitter am anderen Ende der Geislergruppe. Die Zugrichtung des Gewitters ist nach wie vor Nordwest, so dass ich mir keine größeren Sorgen über einen Regenschauer mache. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es weggezogen ist, bevor wir die Brogles Alm erreichen. An der Einmündung des Adolf-Munkel-Weges halten wir kurz, um zu beratschlagen. Alternativ kann man von hier weiter ins Tal und dann über die Zanser Alm wieder hinauf zur Gschnagenhardt Alm fahren. Wir hätten dann wenigstens eine Unterstellmöglichkeit, wenn es doch noch anfangen sollte zu regnen. Andererseits möchte ich doch zu gerne wissen, wie sich der am Fuße der Geislergruppe entlangführende Spazierweg fährt. Die Entscheidung fällt zu Gunsten der ursprünglichen Planung. Also schieben wir die Räder die ersten paar Meter den Pfad hinauf. Bald können wir ernüchtert feststellen, dass es mit der Befahrbarkeit nicht weit her ist. Lediglich Abschnitte von 10 - 20 m Länge sind am Stück fahrbar, dazwischen liegen längere Passagen, die über Felsen und Wurzeln immer wieder über einige Meter hoch oder runter führen. Hier ist dann noch nicht einmal Schieben möglich, aber das Tragen sind wir von gestern ja noch gewöhnt.

Bald kommen wir am Klettergarten vorbei, der trotz des weniger attraktiven Wetters recht belebt ist. Auch auf unserem Weg sind gelegentlich kleinere Wandergruppen unterwegs, von denen uns aber keine auf bessere Fahrbedingungen Hoffnung macht. Langsam kommen wir so voran, immer mit einem kritischen Blick für das allmählich sich abschwächende Gewitter vor uns. Immerhin entschädigen die Ausblicke auf die links spektakulär aufragenden Schotterkegel und Felswände für die fußgängerischen Strapazen. Irgendwo in Höhe der Gschnagenhardt Alm nimmt der Anteil der fahrbaren Passagen etwas zu. Hier finden sich dann auch bald Reifenspuren von Kollegen, die kurz vor uns den Weg genutzt haben müssen. Gelegentlich durchqueren wir einzelne Pfützen, die verbliebenen Zeugen der ergiebigen Gewitterschauer. Nach rund zwei Stunden mühevoller Arbeit mit eigentlich zu wenig brauchbaren Trialeinlagen kommen wir an den letzten Anstieg zur Brogles Alm, der immerhin zum größten Teil fahrbar ist.

Abb. 15: Raschötz
Abb. 15: Raschötz
Hinter dem Brogles Sattel beginnt ein Panoramaweg mit Blick von der Sella bis zum Schlern.

An der Alm empfängt uns erwartungsgemäß keine Sonne, aber dafür ein frischer Wind. Wie wir später erfahren, müssen die Übernachtungskapazitäten heute gut ausgebucht sein. Von außen ist das aber nicht erkennbar, wahrscheinlich finden es die Hausgäste draußen ebenso ungemütlich wie wir. Über einen steil ansteigenden Fahrweg, der später regelrecht abenteuerlich mit großen Steinplatten gepflastert ist, kommen wir zu einem Joch. Von dort haben wir erstmalig einen weiten Blick über die Seiser Alm und den dahinter liegenden Schlern. Den von hier links ins Tal führenden Pfad lassen wir liegen und fahren weiter auf der nur noch leicht ansteigenden Straße, die wie ein Panoramaweg in Richtung Raschötz am Hang entlangführt. Nach links sieht man von hier Lang- und Plattkofel sowie die westliche Ecke der Sella, die teilweise von der schon tief stehenden Sonne zwischen Wolkenlücken hindurch angestrahlt werden. Bald führt der Weg mit leichtem Gefälle bergab, beinhaltet unmittelbar vor der Malga Saltner Cason dann aber noch eine kurze gemeine Steigung, die uns fast wieder zum Schieben zwingt.

Oben angekommen, treffen wir auf drei Transalpler, die von St. Ulrich her hier hinaufgefahren sind. Sie haben ihre Tour in Mittenwald gestartet und sind über Bozen in die Dolomiten abgebogen, statt zum Gardasee weiterzufahren. Sie würden heute noch gerne bis zur Schlüterhütte fahren. Da es nun aber schon kurz vor 18:00 Uhr ist, raten wir wegen des Zeitbedarfs davon ab, zumal sie auch noch den Adolf-Munkel-Weg nehmen wollen. Nach kurzem Fachsimpeln über unsere Räder machen wir uns auf den Weg bergab, der von einem Langkofelpanorama begleitet problemlos bis nach St. Ulrich hineinführt. Wir kommen an einem Supermarkt vorbei, wo wir erst mal die schon knurrenden Mägen beruhigen. Eigentlich wollten wir heute noch auf die Seiser Alm hinauffahren, da es nun aber schon kurz vor sieben ist, verzichten wir darauf und beschließen, uns hier unten in St. Ulrich ein Quartier zu suchen. Wir fahren durch den Ort in östlicher Richtung, queren den Grödner Bach und finden am Anfang des Weges Nr. 18 die Pension Garni Hubertus. Von der Wirtin werden wir nur zögerlich aufgenommen, da kurzzeitige Gäste weniger willkommen sind. Wir bekommen aber dennoch ein Zimmer zugewiesen (ÜF: 33,- EUR pro Person). Auch für unsere Räder findet sich ein Platz; sie übernachten in der großzügigen Garage. Nach der üblichen Abendhygiene machen wir uns auf in die Pizzeria am nahegelegenen Schwimmbad, wo wir schnell und reichlich bedient werden.

Etappe 6: St. Ulrich - San Martino di Castrozza

Tabelle 7: Daten der sechsten Etappe
RouteSt. Ulrich - Seiser Alm - Mahlknechtjoch - Val Duron - Campitello - Moena - Passo Lusia - Paneveggio - Val Venegia - Baita Segantini - Passo Rolle - San Martino di Castrozza
DatumMittwoch 31.07.2002
Entfernung78,1 km
Netto Fahrzeit7:03 h
Brutto Fahrzeit10:53 h
Bergaufca. 2550 m
GPS-Spur gs-transalp-2002-tag6.gpx (Kartenansicht)
KartenTabacco 05, Tabacco 06, Tabacco 014, Tabacco 022

Dem aktuellen Wetterbericht nach soll die Gewitterneigung erst zum Wochenende nachlassen. Dieser Tendenz wollen wir etwas entgegenstellen, also stehen wir bereits um 6:45 Uhr auf. Die Wirtin war so nett und hat sich bereiterklärt, das Frühstück für 7:30 Uhr fertig zu machen. Wir bekommen neben Kaffee und schwarzem Tee noch Käse, Wurst, Marmelade, Müsli und ein gekochtes Ei. Das Frühstück fällt also wieder bequem in die Kategorie "Zwei goldene Speichen". Nach dem Frühstück holen wir die Räder aus der Garage und fahren den vor dem Haus vorbeiführenden Weg Nr. 18 bergauf. An der in Blickrichtung liegenden Sella schießen bereits jetzt die ersten Thermikwolken in die Höhe, was die Labilität des Wetters eindeutig belegt. Obwohl wir heute rund eine halbe Stunde früher dran sind als gestern, wird die Wetterentwicklung unseren Zeitvorsprung wohl schnell wieder einholen.

Abb. 16: Seiser Alm
Abb. 16: Seiser Alm
Heute entwickeln sich schon früh Wolken über den Bergen und kündigen damit sehr labiles Wetter an.

Die schmale Asphaltstraße führt in leichten Wellen an einzelnen Häusern vorbei weiter bergauf. Nach 1,9 km geht es rechts ab mit angenehmer Steigung durch kühlen Nadelwald in Richtung Seiser Alm. Nach 3,8 km gabelt sich die Straße und wir fahren links auf festgefahrenem Schotter weiter bergauf. An einer Brücke wechselt sie die Talseite und fällt danach auch noch mal ein paar Höhenmeter ab, bevor sie an der Hochalm wieder in Asphalt übergeht. Linker Hand geben Lang- und Plattkofel eine markante Silhouette ab, die dort, wo die erwärmte Luft aufsteigt, mit deutlichen Rauchzeichen, sprich Wolken, geschmückt ist. Den Weg voraus hängt der Blick ständig an der senkrecht aufsteigenden Molignon-Wand, dem Talschluß des Val Duron. Dort kocht das Wetter heute besonders schnell sein gewittriges Süppchen. Vorbei am Saltria Hotel und später am Almgasthof Tirler, der gestern eigentlich unser Tagesziel gewesen wäre, folgen wir dem Weg wieder auf Schotter zum Mahlknechtjoch. Die letzten Serpentinen beißen nochmal ordentlich in die Beine, dann ist es geschafft; wir stehen unter den rötlich schimmernden Roßzähnen vor dem Übernachtungshaus Dialer. Von hier ist es nur noch ein Katzensprung bis zum Joch.

Die Wolke über der Molignon-Wand zeigt schon wieder das vertraute Dunkelgrau, obwohl es erst elf Uhr ist; außerdem schattet sie die Region schon großflächig ab, so dass wir uns auf dem Mahlknechtjoch nur kurz für das unumgängliche Beweisfoto aufhalten. In den letzten zwei Jahren waren wir auf Tagestouren auch schon zweimal mit den Kindern hier oben; die folgende Abfahrt durch das Durontal kennen wir also schon hinreichend. Bevor wir in das Tal hinabfahren, trifft noch eine weit auseinandergezogene Mountainbikergruppe ein, die sich relativ hastig auf den Weg hoch zur Tierser Alpl Hütte macht. Dem Gepäck nach könnten es ebenfalls Alpenüberquerer sein. Auch während wir das folgende steile und schottrige Stück zur Talsohle hinabfahren, kommen uns immer wieder Mountainbiker entgegen, zum größeren Teil aber nur mit Tagesgepäck.

Abb. 17: Abfahrt ins Durontal
Abb. 17: Abfahrt ins Durontal
In oberen Teil ist der Fahrweg teils steil und grobschottrig.

Den Ort Campitello erreichen wir um 11:45 Uhr, gerade noch rechtzeitig, um uns im Supermarkt an der Hauptstraße mit einem Mittagessen zu versorgen. Anschließend fahren wir Richtung Seilbahnstation und biegen am Parkplatz rechts in den talabwärts führenden Radweg ein. Diesem folgen wir wie im letzten Jahr immer linksseitig am Flußlauf entlang. Kurz vor Soraga ist es 12:20 Uhr, als der erste kernige Donner rechts von uns aus der schwarzen Wolke oberhalb der Molignon-Wand ertönt. Damit ist die Wetterentwicklung heute rund 2,5 h schneller als gestern. Uns stört das jetzt erst mal nicht weiter, denn wir fahren in der strahlenden Sonne durch das Fassatal. Kurz vor Soraga halten wir uns links hoch in Richtung "Alta Soraga" und von dort weiter über Someda nach Moena. Eigentlich wollte ich nicht in den Ort hinunter, finde aber nach kurzer Suche keinen Weg auf die andere Talseite; außerdem kann ich so unseren Bargeldbestand an einem Bancomaten nochmal auffüllen.

Vom Stadtzentrum aus fahren wir eine gepflasterte Straße östlich das Tal hoch. Der Blick nach vorne auf den dunklen Himmel verspricht mittlerweile nichts Gutes mehr. Nach nicht allzuvielen Höhenmetern, die wir über einen neu präparierten Schotterweg zurücklegen, fängt es an, in vereinzelten, großen Tropfen zu regnen. Wir machen unser Gepäck wieder mal wasserdicht, und ich studiere nochmal genauer die Karte, um mir potentielle Unterstellmöglichkeiten auf den vor uns liegenden Höhenmetern zum Passo Lusia einzuprägen. Leider gibt es davon nicht allzuviele. Wir queren eine Asphaltstraße an einem Parkplatz und lassen uns von dem nun mehr oder weniger regelmäßig vor uns erklingenden Donner nicht beirren. Zentrum und Zugrichtung des Gewitters liegen etwas rechts von uns, so dass es uns nicht voll erwischen kann. Auf halbem Weg zum Rifugio Larezila regnet es etwas stärker. Wir stellen uns kurz bei dicht stehenden Bäumen unter, und als der Regen wieder nachläßt, setzen wir unseren Weg bergauf fort. In manchen Wegbeschreibungen wird diese Passage als besonders steil beschrieben, mir kommt das aber übertrieben vor, denn man muß an keiner Stelle mit einem abhebenden Vorderrad kämpfen; auch werden wir zweimal von Touristen mit ihren PKWs überholt.

Als wir am Rifugio ankommen, scheint die Sonne schon wieder. Hier treffen wir auf ein Mountainbikerpärchen, das ohne größeres Reisegepäck unterwegs ist. Sie erzählen uns, dass sie zu viert reisen und ihre Freunde das Auto mit dem Gepäck von einem zum nächsten Etappenziel versetzen. So kann man sich natürlich relativ bequem über die Alpen bewegen, sie geben aber zu, dass das eine weniger sportliche Variante ist. Heute müssen sie noch zum Passo Rolle, was auch unser Wunschziel ist, denn dann hätten wir den fehlenden Etappenabschnitt von gestern wieder wettgemacht. Wir fahren gemeinsam die nächsten rund 400 m zum Passo Lusia hoch und wollen uns die Wettersituation auf der anderen Seite des Passes erst mal ansehen. Die zweite Hälfte zum Paß verläuft etwas flacher und des öfteren auch wieder im Sonnenschein. Unsere Vierergruppe zieht sich bei der Auffahrt etwas auseinander, da zwischen den Teams und dort wieder zwischen Herren- und Damenmannschaft größere Leistungsunterschiede bestehen.

Abb. 18: Rifugio Lusia
Abb. 18: Rifugio Lusia
Auf der Paßhöhe legen wir am Refugio eine kurze Pause ein.

Vom Rifugio Lusia können wir bis hinter die Cimon della Pala sehen, wo die weiter südlich verlaufende Felsenkette im Regen verschwindet. Der dazugehörige Kaltluftausbruch schiebt die feuchtlabile Luft über den Passo Rolle nach rechts einen Berg hoch und sorgt damit für ein Wolkenschauspiel, das uns nicht unbedingt beruhigt. An der südöstlich des Val Venegia liegenden Kette regnet es aber nicht, es sieht auch nicht so aus, als ob sich der Regen dorthin bewegen würde. Wir machen eine kurze Pause in der wärmenden Sonne und verabschieden uns dann von den anderen beiden, die sich in der Hütte für eine warme Mahlzeit niedergelassen haben. Mit leichtem Gefälle geht die Forststraße weiter bergab in Richtung Malga Bocca/Paneveggio. Wir behalten die Wetterentwicklung vor uns dabei stets kritisch im Blick; unter trockeneren Verhältnissen könnte man diesen zunächst über ein Almgelände, dann durch lockeren Baumbestand führenden Panoramaweg sicher etwas mehr genießen. Wir passieren einige Almgebäude und biegen im Wald schließlich rechts ab auf die bergabführende Schotterstraße nach Paneveggio.

Nach etlichen Serpentinen durch den regenfeuchten Nadelwald stoßen wir unten auf eine querende, zweispurige Asphaltstraße, der wir nach links leicht bergauf folgen. Nach ein paar hundert Metern kommen wir an einigen Gebäuden vorbei, links liegt eine Albergo, rechts ein Wildgehege, vor dem auf einer Aussichtsplattform auffällig viele Besucher stehen. Besonders sehenswerte Tiere kann ich allerdings nicht ausmachen. Wir folgen der leicht ansteigenden und wenig befahrenen Asphaltstraße weiter bergauf und überholen bald ein Pärchen, das ebenfalls auf einer Transalp unterwegs ist. Die beiden sind mit relativ voluminösen Gepäcktaschen beladen und machen einen recht abgekämpften Eindruck. Wir hängen die beiden erstaunlich schnell ab und biegen schließlich links in Richtung Passo di Vallès (geradeaus geht es zum Passo Rolle) ab. Nun geht es immer noch leicht ansteigend auf Asphalt an einem Flußlauf entlang. Bald ist nach rechts die Baita Segantini ausgeschildert und damit unser Einstieg in das Hochtal vor dem Pale di San Martino erreicht.

Abb. 19: Cimone della Pala
Abb. 19: Cimone della Pala
Auf dem Weg zur Baita Segantini entwickelt die Bewölkung eine abweisende Stimmung.

Der Weg führt nun über den schon bekannten Dolomitenschotter mit geringer Steigung durch ein langgezogenes Almgelände, das südlich durch eine Bergkette abgegrenzt ist. An der Malga Venegiota legen wir eine Cappuccino-Pause ein und bewundern das offene Lagerfeuer im Haus, über dem mittags Polenta gekocht wird. Jetzt fehlen uns nur noch rund 450 Höhenmeter bis zur Baita Segantini, dann ist auch die letzte der drei heutigen Steigungen genommen. Die restliche Strecke, die ein wunderbares Felsenpanorama bietet, das dem der Geislergruppe vergleichbar ist, gehen wir zügig an. Das Wetter sieht immer noch nicht so aus, als wollte es besser werden, der befürchtete Regen hat sich aber auch nicht eingestellt. Bald erreichen wir die Serpentinen am Talschluß, für die dieser Streckenabschnitt unter Mountainbikern bekannt ist. Kurve um Kurve arbeiten wir uns immer näher an den Minigletscher der Cima della Pala heran. Auf halber Strecke zur Paßhöhe bildet sich auf einmal eine Wolke vor uns, die anscheinend über das Joch geblasen wird und optisch der Grimselschlange ähnelt. Ich hoffe nur, dass es auf der anderen Seite nicht regnet, denn darauf habe ich jetzt wirklich keine Lust mehr. Während wir uns mühsam die Höhe erkämpfen, wachsen die Dimensionen der Wolke immer mehr, so dass wir schließlich froh sind, als wir die Baita Segantini erreichen. Diese liegt gegen meine Erwartung nicht im Wolkennebel.

Nach Aufnahme des Beweisfotos streifen wir die Windjacken über und stürzen uns den Schotterweg zum Passo Rolle durch das hübsch häßliche Ski-/Almgebiet hinab. Am Paß sind wir einigermaßen durchgefroren. Da die diesige und dunkle Wolkenstimmung hier wenig einladend wirkt, ist der Entschluß schnell gefaßt, doch noch nach San Martino hinunterzufahren. Zunächst ziehen wir aber noch Arm- und Beinlinge sowie die absolut windundurchlässigen Regenjacken an, dann heizen wir die asphaltierte Paßstraße hinunter. Unten im Ort suchen wir nach einer Pension und stoßen schließlich auf einen Lebensmittelladen, in dem wir uns für das Abendessen eindecken. Als wir wieder draußen sind, kommen drei junge Männer vorbeigeschlendert, die wie frisch geduschte Transalpler aussehen. Ich spreche sie an und frage, wo sie untergekommen sind. Sie beschreiben uns den Weg zur nahegelegenen Pension Garni Biancaneve über der Weinstube, in der auch wir ein einfaches Zimmer beziehen (ÜF: 30,- EUR pro Person). Die Räder dürfen heute wieder in der Garage übernachten. Nach unserem Selbstverpflegerabendessen spazieren wir noch durch den Ort, von dem ich vorher noch nie etwas gehört oder gelesen habe.

Etappe 7: San Martino di Castrozza - La Vedova

Tabelle 8: Daten der siebten Etappe
RouteSan Martino di Castrozza - Malga Tognola - Caoria - Passo Cinque Crocci - Val Sugana - La Vedova
DatumDonnerstag 01.08.2002
Entfernung86,8 km
Netto Fahrzeit6:33 h (Karin 8:03 h)
Brutto Fahrzeit9:39 h
Bergauf1820 m
GPS-Spur gs-transalp-2002-tag7.gpx (Kartenansicht)
KartenTabacco 022, freytag & berndt WKS 14

Um 6:45 Uhr klingelt unser Mobiltelefonwecker. Ich habe sehr gut geschlafen und bin schon eine halbe Stunde wach. Beim typisch italienischen Frühstück (Kaffee/Tee, Milch, Brötchen, Brioche, Marmelade, Joghurt, also bestenfalls "Eine goldene Speiche") treffen wir die anderen drei Alpencrosser wieder, die heute die gleiche Route wie wir vor sich haben. Nach dem Bezahlen setzen wir uns auf die Räder und verlassen den Ort in Richtung Campingplatz. Es ist 8:05 Uhr, damit sind wir nochmal fünf Minuten früher dran als gestern. Auch für heute sind wieder Gewitter gemeldet, allerdings wird sich der Wetterbericht damit irren. Zunächst gibt es aber noch tiefe Restbewölkung an manchen Berghängen oberhalb von San Martino, es sieht also eher nach einem besonders frühen Regenguß aus. Die Sonne geht gerade über der östlichen Felszackenkulisse auf und gibt mit eben diesen Wolken ein prächtiges Lichtspiel ab.

Abb. 20: Abfahrt nach Caoria
Abb. 20: Abfahrt nach Caoria
Hinter der Malga Tognola geht es zunächst noch halbwegs fahrbar bergab.

Hinter dem Campingplatz beginnt der ansteigende Schotterweg, an dem sogar schon Caoria ausgeschildert ist. Wir folgen den Wegweisern anfangs Richtung Malga Ces, später Richtung Malga Tognola. Die vom gestrigen Regen noch feuchte Straße führt mit angenehmer Steigung durch den Wald bergauf. Zwischendurch quert sie zweimal eine Skipiste und gibt dabei einen Blick auf die östlich von San Martino liegende Bergkette mit den typischen Dolomitenzacken frei. Oben an der Malga Tognola ist bereits alles abgeschattet, da sich ringsherum schon wieder die Wolken in den Himmel türmen. Hinter dem Sattel geht es rechts an einer Liftstation vorbei wieder bergab über den Weg Nr. 6. Frische Reifenspuren zeigen, dass wir hier heute nicht die ersten sind. Der Pfad ist lückenhaft mit Steinen ausgelegt und im oberen Almabschnitt zunächst noch halbwegs fahrbar. Später wird das Gefälle stärker und die Strecke zunehmend uneben. Außerdem teilt er sich seinen Lauf gelegentlich mit Bächen, die von rechts den Hang herunterfließen. Nach einer flacheren Wiesenpassage verläuft der Pfad im Wald, immer wieder mit fahrbaren Abschnitten, teilweise wegen der rutschigen Steine und Wurzeln aber nicht ganz ungefährlich. Schließlich gelangen wir an einen Forstweg, wo wir auf die Dreiergruppe aus unserer Pension treffen. Sie sind ebenfalls froh, den rutschigen Abschnitt heil überstanden zu haben.

Den langgezogenen Forstweg fahren wir zügig bergab bis nach Caoria hinein. Hier queren wir nach rechts die hölzerne Fußgängerbrücke und landen so vor einem Lebensmittelladen, wo wir uns mit einem zweiten Frühstück bzw. einem verfrühten Mittagessen (11:00 Uhr) eindecken. Anschließend fahren wir zur querenden Asphaltstraße und entdecken an der Bushaltestelle unsere drei Kollegen aus Oberfranken. Einen hat während der Abfahrt ein Insekt an der Unterlippe gestochen; diese ist mittlerweile bedrohlich angeschwollen. Wir wünschen noch alles Gute und treten die Weiterreise über die gemächlich ansteigende Asphaltstraße an. Bald fallen ein paar Regentropfen, allerdings sind unsere Sachen wegen der pessimistischen Erwartungen seit heute morgen schon regengeschützt, so dass uns das nicht weiter stört. Kurz bevor es auf der linken Flußseite weiter auf den Schotterweg in Richtung Passo Cinque Crocci geht, fahren wir noch unter einer von Holzarbeitern improvisierten Seilbahn durch. Der Bediener sitzt abenteuerlich hoch oben im Geäst einer Tanne und steuert die leere Laufkatze den Waldhang hinauf.

Die von der Asphaltstraße abzweigende Forststraße folgt nun dem Flußlauf lange Zeit durch das Tal mit nur geringer Steigung. Erst nach einer Stunde Fahrzeit beginnt sie sich rechts am Hang etwas steiler durch den Wald in die Höhe zu arbeiten. Ich fahre wie meist für 10 bis 15 Minuten vor und warte dann auf Karin. So kann ich wenigstens mein eigenes Tempo halten. Bald überholen uns drei Mountainbiker, die deutlich zügiger als wir unterwegs sind. Auch die Dreiergruppe aus der Oberpfalz taucht schließlich hinter uns auf. Dem Kollegen mit der gestochenen Lippe geht es mittlerweile etwas besser. Nach einiger Zeit gemeinsamen Radelns lasse ich sie wieder ziehen, um auf Karin zu warten. Langsam ergeben sich zwischen den Bäumen hindurch auch wieder interessante landschaftliche Ausblicke. Das Wetter ist schon den ganzen Nachmittag auf unserer Seite; die Sonne scheint, seitdem wir das Tal betreten haben, pausenlos.

Abb. 21: Passo Cinque Crocci
Abb. 21: Passo Cinque Crocci
Am Pass mit dem markanten Mahnmal bläst uns ein kräftiger Wind entgegen.

Kurz vor der Malga Val Cion lichtet sich der Lärchenwald, so dass wir endlich einen weitgehend freien Blick auf die umliegenden Felsgipfel haben. Am Almgebäude pausieren wir kurz und gehen dann die restlichen 50 Höhenmeter auf der nun nur noch sehr flach verlaufenden Strecke zum Paß an. Ich radle Karin wieder davon und hole die drei vor mir fahrenden Kollegen wieder ein. Am Paß bläst uns ein kräftiger Wind entgegen, aber gegen meine Erwartung gibt es weder Nebel noch droht aus irgendeiner Richtung Regen. Wir veranstalten eine ausgiebige Fotositzung und fahren dann den Schotterweg bergab dem warmen Val Sugana entgegen. An der ersten Weggabelung muß ich noch kurz auf die Karte sehen, da keinerlei Beschilderung vorhanden ist. Schließlich fahren wir rechts weiter und kommen nach langer Fahrt über Serpentinen im Wald an einem Wiesengelände wieder auf Asphalt. Auf der weiteren, schier endlos dauernden Talfahrt passieren wir noch weitere Almgebäude und schließlich einige Wochenendhäuser, bis wir nach einem kurzen Anstieg in ein querendes Tal kommen. Auf der anderen Talseite führt gut erkennbar die Straße vom Manghenpass hinab, die ich letztes Jahr entlanggefahren bin. Am Rist. Crucolo treffen wir wieder auf unsere drei Kollegen, die sich dort mit ihren Sachen in der Sonne ausgebreitet haben.

Wir halten uns nicht lange auf und fahren weiter nach Spera, wo wir an einem Laufbrunnen unsere Trinkvorräte auffüllen und die Kleidung dem angenehmen, sommerlichen Klima anpassen. Wir folgen dem Straßenverlauf durch den Ort, dann durch Strigno, dahinter links ab über eine Brücke und wieder rechts nach Agnedo, immer noch stets bergab. Hinter Agnedo treffen wir auf eine breite Landstraße, die wir schräg rechts auf einen Bahnübergang zu queren. Dahinter fahren wir rechts ab parallel zu den Gleisen, an der nächsten Querstraße wieder links bis zum Fluß und dort rechts auf den neu angelegten Radweg (Percorso Cicloturistico). Diesem folgen wir der Beschilderung nach bis Borgo. Hier mogeln wir uns links um die Stadt herum und lassen uns dabei auch von einer Beschilderung "Sackgasse nach 300 m" nicht beirren. Nach der Passage einer Wiese befinden wir uns wieder auf einer schmalen Asphaltstraße, die nach links die Autobahn überquert und schließlich wieder als Radweg in Richtung Barco markiert ist.

Stellenweise sind hier noch die grünen Pfeile der Transalp Challenge von 2001 zu erkennen, oft muß man aber schon sehr genau hinsehen, um die verblassenden Farbreste in den Asphaltfugen noch auszumachen. Karin hat zunehmend konditionelle Probleme und verlangt dringend nach dem schon länger versprochenen Cappuccino. Leider läßt sich dieser Wunsch in dieser ländlichen Gegend ohne größere Umwege nicht so einfach erfüllen. Als wir schließlich auch in Barco nicht fündig werden, schiebe ich sie noch ein wenig an, damit wir schadlos die Albergo La Vedova am Fuße des Kaiserjägerweges erreichen. Hier gibt es dann endlich die geforderte Nervennahrung. Eine kurze Diskussion über das Weiterfahren oder Bleiben endet mit dem Buchen eines Zimmers (ÜF: 25,- EUR). Die Räder müssen im Freien hinter dem Haus übernachten, das von dort betrachtet einen etwas unfertigen Eindruck macht. Die Zimmer sind aber eher modern ausgestattet, auch das Bad ist neu gefliest und angenehm hell. Beim Aufhängen der frisch gewaschenen Radfahrgarderobe machen wir Bekanntschaft mit einer vierköpfigen MTB-Truppe aus Wien, die heute morgen ebenfalls in San Martino gestartet ist und ihre Tour am Brenner begonnen hat. Abends essen wir im schicken Speisesaal und lassen uns dazu ausnahmsweise mal einen offenen Rotwein schmecken.

Etappe 8: La Vedova - Torbole

Tabelle 9: Daten der achten Etappe
RouteLa Vedova - Bertoldi - Carbonare - Forte Cherle - Francolini - Serrada - Strada Vecchia - Rovereto - Passo St. Giovanni - Torbole
DatumFreitag 02.08.2002
Entfernung78,3 km
Netto Fahrzeit6:03 h
Brutto Fahrzeit10:52 h
Bergauf2600 m
GPS-Spur gs-transalp-2002-tag8.gpx (Kartenansicht)
KartenKompass 631, Kompass 101

Heute reißt uns der Wecker bereits um 6:15 Uhr aus dem Schlaf, da es das Frühstück schon um 7:00 Uhr gibt. Ich habe etwas unruhig geschlafen, denn nachts hat sich die italienische Sommerhitze allzusehr im Zimmer gestaut. Vom Fenster aus haben wir einen Blick auf den Kaiserjägerweg, der zunächst rötlich, dann immer gelblicher von der aufgehenden Sonne angestrahlt wird. Kleine Restwölkchen, die auf den Gipfeln aufliegen, lösen sich dabei auf. Ansonsten ist der Himmel absolut wolkenfrei; mit der Gewitterneigung soll es ab heute wieder vorbei sein, was uns natürlich sehr recht ist. Das Frühstücksbuffet ist bereits aufgebaut, auch Kaffee und Tee stehen in Kannen bereit. Es gibt Brötchen, Marmelade, Joghurt, Äpfel, Bananen, einen künstlich süß schmeckenden Obstsaft und die üblichen briocheartigen süßen Knabbereien. Dem ganzen Arrangement verleihe ich gedanklich "eine goldene Speiche". Von unserem sonnenbeschienenen Frühstückstisch haben wir einen Panoramablick auf das nördliche Val Sugana. Auch die Wiener Alpencrossgruppe findet sich allmählich zum Frühstück ein. Sie wollen heute nur bis Rovereto fahren und von dort den erstbesten Zug zum Brenner nehmen, wo sie ihre Autos geparkt haben.

Abb. 22: Brunnen in Bertoldi
Abb. 22: Brunnen in Bertoldi
An einem Brunnen in Bertoldi legen wir eine Pause für ein zweites Frühstück ein.

Nach dem Frühstück schwingen wir uns rasch auf die Räder und fahren das erste Stück zusammen mit der schnellpackenden Hälfte der Wiener Gruppe den Kaiserjägerweg hinauf. Von der ersten Linkskehre hat man einen schönen Blick auf den Caldonazzosee; hier pausieren wir kurz und trennen uns dann von den Wienern, um das in der Kurve rechts abzweigende, letzte, weitgehend original erhaltene Schotterwegstück entlangzufahren. Im letzten Jahr waren wir hier achtlos vorbeigefahren; in unserer Herberge hatte ich gestern Abend aber eine Karte entdeckt, auf der dieser Abschnitt als Teil einer MTB-Route ausgewiesen war. Der Untergrund auf dem nur einige hundert Meter langen Stück ist zwar von stärkeren Regenfällen ziemlich ausgewaschen und länger nicht mehr gepflegt worden, aber dennoch durchgehend fahrbar. In einer Linkskehre erinnert eine Gedenktafel an das Baujahr 1910 und die ausführende militärische Einheit. Auch gibt es hier einen Laufbrunnen, allerdings haben wir noch keinen Bedarf, unsere Trinkflaschen nachzufüllen.

Als wir wieder an der Asphaltstraße ankommen, ist die Vierergruppe aus Wien schon vorbeigezogen. Wir fahren den noch im Schatten liegenden Serpentinen folgend weiter bergauf und passieren zwei schmale Tunnel, die vermutlich das einzig Originale an der mittlerweile fast zu 70 % zweispurig ausgebauten Bergstraße sind. Etwas höher, im mittleren Teil der Strecke, sind gerade Straßenbauarbeiten im Gange, die den Prozentsatz der Zweispurigkeit noch weiter erhöhen werden. Links an einem felsigen Hang hängen Bauarbeiter wie Kletterer an Seilen, um den Steinschlagschutz für die Straße zu montieren. Oben am höchsten Punkt treffen wir auf die Vierergruppe, die mit uns von St. Vigil aus den ersten Aufstieg geteilt hat. Sie sind gestern über den Manghenpass gekommen und haben im Hotel Monterovere übernachtet. Vom letzten Jahr weiß ich noch, dass es dort das Frühstück erst um 8:00 Uhr gibt; kein Wunder also, dass sie noch nicht weiter sind. Sie rätseln gerade an ihrem Stanciu'schen Roadbookausdruck herum, wo es denn nun weitergeht. Da ich den Abschnitt vom letzten Jahr noch kenne, helfe ich ihnen rasch weiter, so dass wir zusammen rechts auf dem im Wald leicht ansteigenden Schotterweg weiterfahren können. An der nächsten Abzweigung trennen sich unserer Wege wieder, da sie links ab müssen, wir aber weiter geradeaus nach Bertoldi fahren.

Abb. 23: 100 km dei Forti
Abb. 23: 100 km dei Forti
Die Mountainbikerouten auf der Hochebene sind sehr aufwändig markiert.

Im Ort, wir sind nun zwei Stunden unterwegs, machen wir eine kurze Pause für ein zweites Frühstück an einem Laufbrunnen vor einem Bauernhof. An diese Stelle kann ich mich vom letzten Jahr her noch gut erinnern, da wir damals länger gebraucht haben, den weiteren Wegverlauf zu finden. Der schmale Weg führt hier sehr unscheinbar links am Bauernhof vorbei; sogar die Kennzeichnung der Transalp Challenge von 2001 ist noch dort, allerdings muß ich den Stein erst umdrehen, um den noch gut erhaltenen grünen Pfeil zu finden. Anschließend folgen wir dem wiederentdeckten Pfad um Bertoldi herum. Die Orientierung fällt dieses Jahr allerdings etwas schwerer, da die grünen Markierungen zum größeren Teil schon verblasst sind. Bei dieser Gelegenheit fällt mir auf, warum ich die Markierungen der "100 km dei Forti" letztes Jahr so verwirrend fand. Die an sich sehr gut ausgeschilderte Route gibt eine bestimmte Fahrtrichtung vor; da wir dieser genau entgegengesetzt folgen, sehen wir die Schilder erst, wenn wir daran vorbeifahren.

Kurz vor Carbonare folgen wir nicht wie im letzten Jahr der Route der Transalp Challenge am Pferdehof links hoch, sondern bleiben auf den "100 km dei Forti" rechts der Hauptstraße und gelangen schließlich über ein schmales Asphaltsträßchen, dann links wieder auf Schotter bergauf nach Carbonare hinein. Wir entdecken einen kleinen Lebensmittelladen, in dem wir uns mit der Tagesverpflegung eindecken können. Gerade, als wir die Räder abstellen, kommt die Dreiergruppe aus Oberfranken die zum Passo Sommo führende Durchgangsstraße heraufgeradelt. Sie haben bei Caldonazzo übernachtet und sind dann ebenfalls den Kaiserjägerweg hinaufgefahren. Dem Kollegen mit dem Unterlippenstich ist nun nichts mehr anzusehen. Wir gehen gemeinsam einkaufen und tauschen noch ein paar Reiseerfahrungen aus. Kaum sind die drei wieder weg, kommt die Vierergruppe von heute Morgen die gleiche Straße entlang. Sie haben mittlerweile einen Abstecher zum Forte Belvedere hinter sich und wollen nun auf kürzestem Wege zum Passo Sommo.

Abb. 24: Forte Cherle
Abb. 24: Forte Cherle
Am Fort halten wir kurz für eine flüchtige Besichtigung.

Nachdem wir unser Mittagsmahl beendet haben, fahren wir die Durchgangsstraße in Richtung Folgaria ein Stück hinauf und biegen dann links ab, der E5-Markierung und der Beschilderung zum Forte Cherle folgend. Wir halten uns auch später an die Beschilderung zum Forte Cherle, das wir heute besichtigen wollen. Bald befinden wir uns wieder auf einem Abschnitt, den ich letztes Jahr schon gefahren bin. Wir kommen im Wald über eine Steinbrücke und biegen dann rechts ab auf einen stark ansteigenden, schmalen Weg, der später in einem Wiesengelände an eine Wegkreuzung mündet. An der Hinweistafel fahren wir dieses Mal weiter steil bergauf und nicht rechts nach Tezzeli. Bald wird der Weg etwas flacher und damit wieder angenehmer fahrbar. Bevor wir die Wiese an der Albergo Cherle erreichen, müssen wir aber nochmal eine steilere Passage überwinden. Oben halten wir uns rechts, fahren hinter der Albergo vorbei und kommen endlich zur Ruine des alten Forts. Hierbei handelt es sich um eine sehr großflächige Anlage mit dreieckigem Grundriß, die aber nicht besonders gut erhalten ist. Nach einer kurzen Besichtigung folgen wir den "100 km dei Forti" wieder leicht bergab und kommen an eine Asphaltstraße, an der gegenüber die Scala dell'Imperatore beginnt. Das ist eine steil hinaufführende Treppe aus Felsenstufen, über die man zum ehemaligen Militärhospital kommt. Wir haben keine Lust, die Räder zu tragen und fahren ein Stück nach links, um schließlich rechts hoch über eine Forststraße zu den Resten des Hospitals zu gelangen. Außer ein paar rekonstruierten Grundmauern ist von dem eher kleinen Gebäude allerdings nichts zu sehen, so dass wir den Weg durch den feuchten Nadelwald bald fortsetzen.

Wir folgen stets der schon bekannten Beschilderung und landen nach längerer Fahrt durch den Wald schließlich auf dem Weg, der zum Forte Alto Sommo hinaufführt. Karin hat mittlerweile Zweifel, ob wir heute überhaupt noch am Gardasee ankommen. Wir fahren den Weg querend hinab zum Golfplatz und auf einer uns schon von einem Tagesausflug bekannten Strecke links an dem Biotop vorbei in Richtung Francolini. Im Ort überqueren wir die Asphaltstraße links vor der Bar, fahren vorbei an einem künstlich angelegten Teich und folgen der Beschilderung nach Mezzaselva. Die Fahrspur verengt sich bald zu einem etwas holprigen Pfad, der uns fast durchgehend fahrbar zur Straße nach Serrada bringt. Hier halten wir uns links, passieren wie im letzten Jahr Mezzaselva und gelangen auf der leicht ansteigenden Straße nach Serrada. Wir stärken uns an einer Bar mit einem Cappuccino und fahren dann die nach Rovereto ausgeschilderte Straße hinunter. Von der Straße haben wir einen tollen Blick nach Osten in das Tal nördlich des Pasubio. Kurz hinter der Linkskehre unter Potrich biegen wir rechts in die Strada Vecchia ein, die uns über einen wirklich sehr schönen Weg bergab führt. Außer einigen Lesern von Stanciu'schen Wegbeschreibungen scheint nur noch derjenige, der hier das Gras kurz hält, diesen alten Weg zu benutzen. Er ist bis auf zwei Stellen, an denen Geröll von rechts heruntergerutscht ist bzw. links die Befestigung sich in die Tiefe verabschiedet hat, komplett fahrbar und auch nie zu steil.

Wir kommen schließlich wieder auf die Asphaltstraße nach Rovereto und folgen dieser stets bergab ohne weiteres Abbiegen bis in die Stadt hinein. Wir münden genau am Stadtplatz, den wir geradeaus überqueren. Der breiten Straße folgen wir weiter geradeaus und landen direkt am Bahnhof. Hier treffen wir wieder auf die Vierergruppe von St. Vigil, die sich noch ein Quartier in Rovereto suchen will, um morgen früh mit dem Zug zurückzufahren. Sie sind von der Hochebene die steile Trialpassage (Bachbett) nach Zencheri "hinuntergefahren", dabei ist einem der rechte Bremshebel seiner guten Magura abgebrochen. Wir verabschieden uns nun zum letzten Mal, kaufen noch die Fahrkarten für unsere Heimreise am Sonntag (bis Rosenheim: 40,20 EUR pro Person, 12,30 EUR pro Fahrrad) und machen uns auf den Weg nach Isera. Weiter über Mori kommen wir schließlich auf den Radweg zum Passo St. Giovanni, von dort die letzten Gefällestrecken genießend nach Nago und über die alte Straße mit dem Gardaseepanorama hinab nach Torbole. Gleich das erste Hotel, in dem wir fragen, hat noch ein Zimmer für uns frei (Hotel Lucia, ÜF: 27,- EUR pro Person), so dass wir endlich um unser Gepäck erleichtert zum See hinunter und in die Pizzeria Al Porto zum Essen fahren können.

Heimreise: Torbole - Hirten

Tabelle 10: Daten der Heimreise
RouteTorbole - Bahnhof Rovereto - Bahnhof Rosenheim - Simssee - Chiemsee - Hirten
DatumSonntag 04.08.2002
Entfernung95,4 km
Netto Fahrzeit5:06 h
Brutto Fahrzeit6:12 h
Bergaufca. 600 m
GPS-Spur gs-transalp-2002-tag3.gpx (Kartenansicht)
KarteBLV Chiemsee und Umgebung

Bereits seit gestern Abend um 22:30 Uhr gewittert es. Die ganze Nacht über grollt ein Donner nach dem anderen über Torbole hinweg. Gut, dass ich meinen Gehörschutz dabei habe, sonst wäre ich die Nacht über wahrscheinlich nicht zum Schlafen gekommen. Als unser Mobiltelefonwecker um 4:45 Uhr läutet, donnert und regnet es noch immer. Wir "freuen" uns schon auf die Fahrt nach Rovereto, wo wir um 7:20 Uhr den Zug nach Hause nehmen wollen. Die ganze letzte Woche sind wir glimpflich an den Gewittern vorbeigekommen, und ausgerechnet heute bei der Abreise soll es uns noch erwischen. Wir packen alles regendicht ein, darin haben wir ja schon Übung. Dann tapsen wir möglichst leise das Treppenhaus hinunter und leeren im Frühstücksraum noch unsere Joghurtvorräte, die wir gestern Abend im Gemeinschaftskühlschrank deponiert haben. Mir kommt es sehr seltsam vor, in dem dunklen Hotel herumzulaufen und überall selbst das Licht anzumachen. Nach dem flüchtigen Frühstück hole ich unsere Räder aus dem Fahrradkeller, und wir beladen unsere Gefährte im Lichtschein vor dem Haupteingang.

Mittlerweile regnet es kaum noch, und das Donnergrollen tönt nur noch schwach von weitem zu uns. Ich überlege, ob es sich überhaupt lohnt, die Regenjacke anzuziehen, denn unangenehm sind nach wie vor die Erinnerungen an die ersten beiden Tourtage, bei denen ich innen wie außen gleich naß wurde. Da das Wetter aber noch keine sichere Entscheidung zuläßt, bleibe ich bei der dichten Kunststoffhülle. Es ist 5:30 Uhr, als wir losfahren. Mittlerweile setzt die Dämmerung ein, so dass wir uns auch ohne Licht auf der Straße gut orientieren können. Bei der ersten Abzweigung rechts hoch zur alten Verbindungsstraße nach Nago verpaßt Karin den Anschluß, da sie noch mit ihrem Fahrradcomputer beschäftigt ist. Ich fahre, ohne das zu bemerken, ein Stück den Anstieg hoch und warte dann, als ich bemerke, dass sich hinter mir nichts rührt. Schließlich wird mir das Warten zu lang, und ich fahre schon etwas verärgert wieder hinunter, um nachzusehen. Hinter der ersten Kurve wartet Karin im Schein einer Straßenlaterne, von wo sie Einblick in beide Fahrtrichtungen hat. Im zweiten Anlauf schaffen wir es zusammen hinauf nach Nago. In meiner Regenjacke entsteht dabei wieder das unangenehme Schwitzklima, fürs Umziehen möchte ich jetzt aber keine Zeit mehr verschwenden.

Wir queren den Stadtkern von Nago und folgen dem regennassen Radweg durch die Weinplantagen zum Passo St. Giovanni. Da es nun langsam hell wird, können wir erkennen, daß sich die Gewitter nach Norden ins Gebirge verzogen haben und hinter sich einen blauen Himmel mit nur geringer Restbewölkung zurücklassen. Hinter dem Paß folgen wir zügig der Strecke vorbei am ausgetrockneten See und weiter durch die Obst- und Weinfelder vor Mori. Den stillen Ort durchfahren wir in umgekehrter Richtung zum Hinweg und kommen dahinter auf die Landstraße, auf der sich trotz der frühen Uhrzeit schon die ersten Autos tummeln. Bald sind wir in Rovereto und rollen von der Brücke über die Eisenbahnlinie links ab hinunter zum Bahnhof. Es ist nun genau 6:50 Uhr, früh genug für den um 7:20 Uhr auf Gleis 3 nach München fahrenden Zug. Links am Bahnhofsgebäude vorbei rollen wir bis auf den Bahnsteig, wo wir auf einen weiteren Transalpler treffen, der wie wir in Rosenheim aussteigen möchte. Im Laufe der nächsten halben Stunde trudeln noch mehr Mountainbiker ein; ich schätze, dass es so an die 25 sind.

Als der Zug einfährt, orientieren wir uns rasch nach hinten, wo sich immer der Gepäckwagen befinden soll. Ich bin der erste am Wagen, schiebe schnell den ersten Rolladen hoch und klettere in den leeren Wagen hinein. Unser Kollege reicht mir nacheinander die drei Räder hoch, so dass wir in wenigen Sekunden mit dem Verladen fertig sind. Die Räder lehne ich nebeneinander an die Wand, damit wir sie in Rosenheim nicht aus den später dazugestellten Rädern einzeln herauswurschteln müssen. Wie eine Inspektion des Gepäckwagens ergibt, hat er im hinteren Teil noch einen zweiten Abstellraum, in dem sich Fahrräder fein säuberlich an Haken nebeneinander aufhängen lassen. Davon macht in Rovereto aber keiner Gebrauch, statt dessen drängt sich alles vorne zusammen; typisch Herdentrieb eben. Die folgenden vier Stunden Fahrt bis Rosenheim vergehen sehr kurzweilig, da wir mit unserem Kollegen aus Holzkirchen die Erlebnisse der letzten Woche austauschen können. Er ist vom Tegernsee aus alleine unterwegs gewesen; wir hätten uns sogar beinahe schon an der Brogles Alm getroffen, denn er war gut eine Stunde vor uns dort und hat den Gewitterregen voll erwischt. Während der Fahrt beobachten wir das Wetter kritisch, aber außer den vom nächtlichen Regen verursachten, tief an den Berghängen klebenden Quellwolken sieht es überall recht harmlos aus. Für die noch vor uns liegende Flachlandetappe erwarte ich daher keinen Regen mehr.

In Rosenheim sind die drei Räder schnell entladen, da wir Hand in Hand arbeiten. Einer reicht ein Rad nach dem anderen hinunter, der zweite nimmt sie entgegen, die dritte bewahrt sie vor dem Umfallen. Die meisten der anderen Mountainbiker scheinen noch nach München weiterzufahren. Vor dem Bahnhof verabschieden wir uns von dem Holzkirchner, der von Frau und Kind in Empfang genommen wird. Wir radeln quer durch die Stadt und verlassen diese östlich. Von der Strecke bis zum Chiemsee habe ich keine Karte dabei. Ich hoffe, dass die Beschilderung ausreicht, dorthin zu finden. Auf einem Radweg halten wir uns zunächst an einer Landstraße entlang in Richtung Traunstein. Bald endet dieser aber, und wir benötigen die Hilfe eines ortskundigen Radfahrers, der uns an einer Bahnlinie entlang nördlich am Simssee vorbeischickt. Später kommen wir durch einen Ort mit dem bemerkenswerten Namen "Antwort". Dort lassen wir uns nochmals von einem hilfsbereiten Einheimischen beraten, damit wir auf radfahrergerechten Wegen zum Chiemsee kommen. Dort angekommen, finden wir uns alleine zurecht. Wir fahren nördlich am See vorbei, zum größten Teil auf dem Seerundweg. An einem Strandbad verspeisen wir noch eine vollkommen überteuerte und zu salzige Pizza, und in Seebruck gibt es als letzte Stärkung noch einen Cappuccino. Danach geht es die übliche Strecke an der Alz entlang bis nach Hause, wo wir um 17:30 Uhr, von den Kindern schon sehnlichst erwartet, eintreffen.

Fazit

Auch dieses Jahr war die Tour wieder eine sehr gelungene Urlaubsaktion. Im Gegensatz zum letzten Jahr hat das Wetter uns die meisten Sorgen gemacht. Wie Karin es ausdrückte, hatten wir nicht Glück mit dem Wetter, aber mit den Gewittern. Diese waren zu unserem Vorteil lokal sehr begrenzt, und wir konnten uns an allen vorbeimogeln. Durch die etwas niedrigeren Temperaturen sind wir auch mit unseren Trinkvorräten deutlich besser ausgekommen; die letztjährige Hitze hatte uns doch ziemlich ausgelaugt. Auch die Pannenstatistik kann sich sehen lassen, wir hatten keinen einzigen technischen Defekt. Konditionell hat sich Karin sehr gut gehalten, was nicht unbedingt absehbar war. Erwartungsgemäß sind wir langsamer unterwegs gewesen als letztes Jahr und waren dadurch meist erst gegen sieben Uhr am Quartier. Mir ist das langsame Tempo aber auch ganz gut bekommen; rein gefühlsmäßig hätte ich zum Schluß noch eine Woche weiterfahren können. Sehr unproblematisch war auch die Heimreise mit dem Zug; hier hatte ich schon von negativen Erfahrungen bzw. Eindrücken gehört, die wir nicht bestätigen können.


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